Der Leh-Manali-Highway im Norden Indiens taucht immer wieder in den Aufzählungen der gefährlichsten Strassenverbindungen der Welt auf. Die höchsten befahrbaren Pässe unseres Planeten liegen auf dieser wichtigen Versorgungsachse im Himalaya. Ansiedlungen sind nur spärlich gesät. Zu unwirtlich als Lebensraum für uns Menschen. 480 Kilometer Asphalt, Schotter, Erdrutsche, Eis und Schnee. Schwindelerregend windet sich die Trasse durchschnittlich auf über 4’000 Metern durch die hochwüstenartige Landschaft. Nichts für schwache Nerven, selbst als Passagier eines Verkehrsmittels. Die Höhe fordert den Tribut eines jeden Einzelnen. Und doch gibt es hier oben einen Wettlauf. Gegen Kilometer, gegen die Uhr und am meisten gegen sich selbst beim Kampf um jedes verfügbare Gramm Sauerstoff.
Atemnot als ständiger Begleiter
„If only they knew what awaits them – happy faces before the Hell. They are about to enter at The Great Himalayan Running Festival 2023.
We wish every one the best of their runs at the most gruesome festival of road running in India.
Let’s see how hell it can get!“
Das Great Himalayan Running Festival findet in diesem Jahr bereits zum sechsten Mal statt. Verschiedene Strecken bis hin zum Hell Ultra über die gesamten 480 Kilometer nonstop sind für wagemutige Ausdauerathleten im Angebot. Diese unglaubliche Distanz haben seit der Erstaustragung gerade einmal drei Starter ins Ziel gebracht. Da klingt die Herausforderung, fünf Marathons an fünf aufeinanderfolgenden Tagen zu absolvieren, doch gleich viel entspannter. High 5 heisst dieser Wettlauf. Lösbar? Zehn Teilnehmer treten in diesem Jahr an, zwei Frauen und acht Männer.
Es beginnt mit einer nicht endend wollenden Busfahrt. Anstatt zwölf waren es sechzehn Stunden. Von Delhi nach Manali, quer durch Indiens Norden. Bereits hier ein Vorgeschmack auf das, was mich in den kommenden Tagen erwartet. Aufreibende Stunden auf der Strasse. Inklusive aller landestypischen Gepflogenheiten. Hupkonzerte. Abrupte Richtungswechsel. Übermüdeter Fahrer. Geräusche. Gerüche. Mitreisende erbrechen. Nein, es trifft wohl eher den Punkt zu sagen: sie kotzen sich die Seele aus dem Leib.
Abfahrt ist an einem Sonntag, morgens um 9.30 Uhr an einer Strasse Nähe der Metrostation Kashmiri Gate irgendwo mitten in der Milionenmetropole. Mein Freund Chander kommt auf einen Tee vorbei. Naja. Eigentlich. Wenn es nicht Sonntag wäre und das Café, das uns als Treffpunkt dient, geschlossen hätte. Auch wenn es nichts mit einem aufputschenden Getränk nach der langen Anreise aus Europa wurde, bin ich ihm doch für seine Anwesenheit über alle Massen dankbar. Ohne seine Ortskenntnis und Übersetzungskünste hätte ich den Bus nie erwischt. Dann hätte diese Laufgeschichte hier bereits ein Ende. Ohne Lauf.
Keine Bushaltestelle, kein Busbahnhof. Irgendwo in Delhi an einer Hochstrasse warten wir geduldig auf den Transportunternehmer. Das Thermometer zeigt bereits Werte jenseits der dreissig Grad Celsius. Auf der Strasse Gewusel. Autos, Mopeds, Rikschas, LKW, Menschen und lokale Busse. Durch Handzeichen machen die Wartenden auf sich aufmerksam. Und springen auf die kurz stoppenden alten, etwa zwanzig Plätze bietenden, teils fensterlosen öffentlichen Verkehrsmittel. Wohin die einzelnen Busse fahren bleibt ein Rätsel. Wissen es die Passagiere? Weiss es der Fahrer? Es wirkt wie eine sich täglich wiederholende Überraschungstour. Zumindest angeschrieben ist nichts.
Unser Bus nach Manali sollte überlandtauglich sein. So viel war klar. Chander gibt mir zu verstehen, dass ich nicht den offiziellen Bus gebucht habe. Irgendein semi legales Unternehmen, dass sich anbietet, Himalaya Reisende gen Berge zu manövrieren. Und genauso verläuft auch das Abholen. An der Auffahrt zur Hochstrasse stoppt der Transporter nicht etwa. Nein, die Passagiere müssen die Hochstrasse entlang ein Stück hinaufrennen, um sich glücklich zu schätzen, den reservierten Platz zu ergattern. Etwas Abstand zur Gesetzeshand. Semi legal. Die Geschichte beginnt mir zu gefallen.
Chander verabschiedet sich, nicht ohne sicherzugehen, dass ich auf dem richtigen Sitz platzgenommen habe. Alles nummeriert, alles safe. Es gibt eine fünf Deziliter PET Flasche mit Wasser, das wird ja wohl genügen für eine halbtägige Tour. Und los geht es. Raus aus dem Molloch Delhi, Auf dem Highway Richtung Himalaya. Und dort, auf einer der bekanntesten Hochgebirgs-Strassen wird sich der kommende Wettlauf abspielen. Es wird ein Roadmovie. Der Leh-Manali-Highway. Ein Klang wie Musik in den Ohren.
Ein paar Tage verbleiben noch in der quirligen, niemals leise wirkenden Bergstadt Manali. Unter Indern eine beliebte Sommer- aber auch Winterdestination. Im heissen indischen Sommer sind die Temperaturen hier oben angenehmer und im Winter findet sich unweit des Ortes eines von drei Skigebieten des Landes. Die Bespassung der kleinen, aber auch älteren Reisenden kommt keinesfalls zu kurz. Kamelreiten, Paragliding, Pferdetouren, Ausflüge in echten Schnee, Tempelbesuche, überall Essen und Trinken und Einkaufen sind die Lieblingsbeschäftigungen. Um darin nicht unterzugehen, aber auch zur Anpassung an die Höhe gibt es um Manali herrliche Trails bis hinauf auf 3‘500 Meter.
Den ersten persönlichen Kontakt zum Laufveranstalter gab es zwei Tage vor dem offiziellen Start. Alle ganz entspannt und Ruhe ausstrahlend. The Hell Race heisst die Hauptorganisation, die sich für das hier stattfindende Great Himalayan Running Festival, kurz GHRF verantwortlich zeigt. Neben diesem Laufevent gibt es weitere über das Jahr und über das Land verstreute Ultra-Herausforderungen.
Wie wird man auf solch einen Anlass aufmerksam? Im Schweizer Laufkalender ist er jedenfalls nicht gelistet. Da gibt es glücklicherweise die internationale Laufcommunity. Irgendjemand hat da immer eine tolle Idee 😉. Unterstützt von Online-Plattformen, die sich auf Ausdauersport spezialisiert haben. Dort kann man je nach Gusto einen Kontinent, einen Monat und auch die gewünschte Strecke eingeben und die Suchmaske spuckt entsprechend Ergebnisse aus. So auch beim GHRF. Die längste angebotene Distanz beträgt 480 Kilometer. Die gesamte Strecke von Manali nach Leh. Nonstopp. Gut, jeder entscheidet selbst, wann, wo oder wie lange er Pausen macht. Einzig das Zeitfenster von 120 Stunden setzt dem unbegrenzten Vergnügen ein Limit.
In Verbindung mit der Höhe, auf der der Lauf stattfindet, sind das (bis hierhin) für mich unrealistische Zahlen. Seit der Erstaustragung 2016 gab es gerade einmal vier Finisher. Eigentlich drei, da die ungarische Ultra Legende Ferenc Szönyi den Wettkampf zweimal durchgezogen hat. Eine Herausforderung, bei der ich mich in diesem Jahr noch nicht sehe. Noch nicht. Und so viel kann ich vorwegnehmen: auch dieses Mal haben beide Starter die Ziellinie nicht gesehen. Die Angehörigen der indischen Armee mussten nach 220 Kilometern und überschrittener Cut-Off Zeit aufgeben.
Ist das alles noch gesund?
Stattdessen stellen fünf Marathons an fünf aufeinanderfolgenden Tagen eine lösbare Aufgabe dar. Beim High 5, wie dieser Wettkampf heisst, treten in diesem Jahr 10 Teilnehmer an. Acht Jungs und zwei Mädels. Interessanter Fakt: bislang hat noch keine Frau das Rennen beenden können. Wird es zu einem Jubiläum im 2023 kommen? Vero aus Frankreich und Ronel aus Südafrika sind weitgereiste Ultra Athletinnen, die allerdings noch über keine Erfahrung in der Höhe verfügen. Bei den männlichen Startern stehen sechs in den Diensten der indischen Armee. Ein weiterer indischer Teilnehmer kommt aus Bangalore, dem heissen Süden des Landes. Und dann bin da noch ich. Ein überschaubarer Haufen, oder besser ein Häufchen, das sich an einem kalten Dienstagmorgen um fünf Uhr in Marhi auf 3‘300 Meter über dem Meer an eine ungewisse Aufgabe stürzt.
Was macht diese Strasse und den Wettkampf High 5 aber so besonders? Ein paar Details für Zahlenverliebte sorgen bereits für Atemnot. Fünf Marathons an fünf Tagen. So weit, so gut. Höchster zu überquerender Punkt ist der Tanglang La mit 5’325 Metern. Die maximale Schlafhöhe während des Wettkampfes liegt bei 4’700 Metern. Das Zeitlimit für die total 210 Kilometer beträgt 40 Stunden. Klingt entspannt? Pikanter Zusatz: bei 4’000 Metern Höhe stehen aufgrund fehlenden Partialdruckes nur etwa 60 Prozent, ab 5’300 Metern nur noch etwa 50 Prozent Sauerstoff zur Verfügung. Auf die Leistungsfähigkeit hat das signifikante Auswirkungen.
Interessant zur Lage des Leh-Manali-Highway ist, dass sich diese Verbindung von Süd nach Nord durch den Himalaya Hauptkamm auf zirka den Breitengraden von Marokko befindet. Warum interessant? In Gebieten mit niedrigen Breiten ist der barometrische Druck in einer bestimmten Höhe grösser als der Druck in gleicher Höhe in Gebieten mit mittleren und hohen geografischen Breiten. Das bedeutet, je näher der Berg an einem der beiden Pole unseres Erdballs liegt, desto höher fühlt sich die Höhe an, als sie tatsächlich ist. Dieser Teil des Himalaya liegt also vergleichbar mit den Alpen auf einem angenehmeren Breitengrad.
Gelaufen wird hier von Süd nach Nord, aus dem dicht bewaldetem Gebiet um Manali ins karge Leh, der Hauptstadt des ehemaligen Königreiches Ladakh im Regenschatten des Himalayas.
Wie bei so manch anderem Etappenrennen in der Vergangenheit sind nicht allein die Wettkampfkilometer ausschlaggebend für einen persönlich erfolgreichen Event. Der Schlaf ist da so ein weiterer Parameter, der Einfluss auf das Wohlbefinden der Läuferschar nimmt. Und gerade diese Stunden der Ruhe vermasselt uns jemand in der Nacht vor der ersten Etappe. In Zweierzelten in einer im Rohbau befindlichen Garage untergebracht, ist Abstand soundso schon ein Fremdwort. Zusätzlich wird unsere Geduld durch einen Telefonisten strapaziert. Stundenlang und lauthals tönt die Stimme eines auf Hindi Kommunizierenden im Wechsel mit einer Frauenstimme am anderen Ende der Leitung. Selbstverständlich über den Lautsprecher, sonst könnten wir ja gar nicht Teil des Spektakels werden. Irgendwann ist es dann aber auch genug. Allerdings können auch Zurufe der Schlafens Willigen den guten Kunden der Telekommunikationsindustrie nicht stoppen. Irgendwann gebe ich mich meinen Träumen in diesem immer gleichklingenden Singsang hin.
Um drei Uhr wälze ich mich dann bereits wieder in der Aufwachphase. Den Wecker habe ich auf vier Uhr gestellt. Dieses Kribbeln, die Vorfreude vor einem Lauf dringt jetzt aber schon bis in die letzte Daune meines Schlafsacks. Ich ergebe mich und widme mich dem alltäglichen Vorstartritual: Gehwol Fusskrem schmieren, reichlich Sonnencreme auf alle freien Hautpartien, Morgenhygiene, Laufsachen an, Schuhe anständig schnüren. Sämtliche Dinge der Nacht werden in einer Tasche verpackt, die während der kommenden Stunden das Dach eines unserer Begleitfahrzeuge schmückt.
Im Marhi, dem Startort, ist es so früh am Morgen noch sehr ruhig. Die endlose Reihe der Teestuben am Strassenrand liegt im Dunkeln. Einzig aus einer dringt bereits Licht. Es ist gleichzeitig die Verpflegungsstelle der 50 und 80 Kilometer Läufer, die allesamt diesen Checkposten bereits passiert haben. Zum Glück haben sie noch genügend Verpflegung übriggelassen. Was es so früh, ja fast noch in der Nacht in Indien zum Essen gibt? Landestypisch Reis, Dhal (Linsen), gebratene Kartoffeln mit Kümmel und Chai, dem klassischen Milchtee, der uns, wenn immer vorhanden, stärkt. Ja, es gibt auch noch Toastbrot und Honig o.ä. Ich ziehe aber die rustikale Speisenvariante vor.
Dann geht es schnell. Vishwas, der leitende Veranstalter ruft zu einer imaginären Startlinie. Eine Stück Kunststoffband. Dunkelheit weicht bereits klaren Licht bei wolkenlosem Himmel. Die zehn Läufer, sechs Jungs von der Indian Navi, jüngster 23, ältester 45, Vero aus Frankreich, Roro aus Südafrika, Lalu, Bosch Ingenieur aus Bangalore und ich. Das kleine Feld, oder sollte man eher sagen diese lose Zusammenkunft vereinzelter, bereitwilliger Masochisten, zieht sich schnell auseinander. In den ersten Kurven tippele ich mit zwei jungen Navi Guys. Einer, Ashish, sprintet mit jedem Meter Zusehens davon, der andere, Shorav, bleibt bei mir.
Auf den ersten sechzehn Wettkampfkilometern zelebriert die Natur sofort gnadenlose Diversität. Rundherum unberührte Bergwelt, aufragend bis auf 6’000 Meter. Bei Start im Morgengrauen erleuchtet die aufgehende Sonne die Himalaya Kette in orange-Rot Tönen. Weiter oben das strahlende Weiss des Rohtang Passes. Dieser strategisch wichtige Bergübergang wird auch als Wasser- und Wetterscheide bezeichnet. An den südlichen Hängen des Himalaya stauen sich die feuchten, monsunartigen Luftmassen. In diesem Jahr wird das besonders deutlich. Nach spätem Schneefall im Mai wurde die Strasse erst eine Woche vor dem High 5 vom Schnee befreit. Für die Läufer ein Spektakel. Durch bis zu sechs Meter hohe Schneewände führt die Laufstrecke. Die Wetterkapriolen am Rohtang Pass sind der Hauptgrund, warum der Leh-Manali-Highway nur während drei Sommermonaten befahrbar ist.
Einmal quer durch den Himalaya
Weiter oben bei etwa 3‘600 Meter habe ich den Sprinter eingeholt. Erste Starter der 80-Kilometer-Kategorie sind zum Überholen bereit. Ein ständiges Hin und Her gibt es immer noch mit meinem anderen Begleiter. Shorav, ebenfalls einer der Navi Guys, zieht immer wieder an mir vorbei, um im nächsten Moment ins Gehen zu wechseln. So kann ich wieder ein paar Meter auf ihn rausholen. In Ulle – Armstrong Manier an der Alpe du Huez. Die Sonne strahlt jetzt bereits mit voller Power über den Pass. Mein Mitstreiter atmet schwer. An seiner Körpersprache kann ich erkennen, dass er am Limit ist. Höhe 3‘800 Meter. Die Strasse schlängelt sich in engen Serpentinen durch die schneebedeckten Gesteinsfelder.
An einem etwas steilerem Stück schlägt Shorav vor, hier doch besser zu gehen. Ich erwidere: du gehst deine Geschwindigkeit, ich meine. Und ich beschleunige kurz. Et voilà, eine Lücke tut sich auf. In der nächsten Kehre erkenne ich im Blickwinkel, dass er weiter abreissen lassen muss. Den Sprinter sehe ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Ohne grossartige Tempoverschärfung, einfach durch Konstanz und Geduld habe ich sie in die Knie gezwungen. Aber der Tag ist ja noch lang.
Immer wieder geht es nun durch Wasserlachen, die vom tauenden Schnee die Strasse überqueren. Teils knöcheltief. Die ersten Autos schleichen sich gegen sieben Uhr bereits von hinten heran. Noch keine Touristenkutschen, die Ausflügler sitzen derweil noch gemütlich im Städtchen Manali beim Frühstück, bevor sie sich in die abgetragenen Achtziger-Jahre Skioveralls zwängen, um am Rohtang Pass ihr lebensprägendes Foto im Schnee zu machen. Übrigens: einer der Navi Jungs hat auch noch nie (!) Schnee in echt gesehen. Erlebnisse werden hier auf allen Ebenen garantiert!
Diese Fahrzeuge, die frühmorgens bereits unterwegs sind, befördern die Händler zu ihren Wühltischen am Strassenrand. Emsig wird alles aufgebaut, bevor sich die Tourikarawane Richtung Passhöhe in Bewegung setzt.
Eines der Autos muss es dann übertreiben, während es mich mit zügigem Tempo überholt. Die Füsse sind soundso bereits gefroren nach den Wasserdurchquerungen. Dieser Fahrer setzt aber noch einen drauf: exakt neben mit trifft er mit voller Wucht eine Pfütze und spritzt mir das kalte Nass von der Seite hüfthoch an. Ich schnaube vor Wut und rufe ihm noch ein paar Wünsche hinterher. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich ihm alles, ausser einen schönen Tag gewünscht.
Mit jedem Höhenmeter fallen die Schritte schwerer. Noch ist ein Rennen möglich. Der Rohtang Pass ist gerade einmal mit 3’980 Metern vermessen. Das soll für die kommenden Marathons als Aufwärmtraining dienen. Und doch sorgt die absolute Höhe bereits für Schwindel und leichten Kopfschmerz in der vorderen Stirnhöhle.
Oben angelangt, erkenne ich einen unserer Kameraleute. Gefilmt wird, was das Zeug hält. Und da auch der übermütige Fahrer. Ich lasse es mir trotz Wettkampf nicht nehmen, ihm mein Missfallen persönlich mitzuteilen. Ok, Entschuldigung seinerseits. Akzeptiert. Noch schnell ein Erinnerungsfoto und weiter geht die Reise ins sich öffnete Lahaul und Spiti Tal.
Tagesziel in indischer Manier
Einzelne Teilnehmer wanken selbst auf dem ewig bergab führenden Teilstück bis zum Tagesziel. Die Sonne drückt am Vormittag bereits mächtig. Von nun an sind Wolken rares Gut. Regen oder Schnee fallen während der warmen Monate fast nie. Temperaturen bis zu dreissig Grad Celsius sind keine Seltenheit.
Gemütlich cruisend geht es im lockeren Laufschritt die Serpentinen hinab. Die Strasse ist in ausgezeichnetem Zustand. Hier und da mal der Asphalt an der talwärts liegenden Hangseite abgebrochen, bergwärts überzieht stellenweise immer noch eine dicke Schneedecke eine Fahrspur.
Vor Khoksar, bei Kilometer 35 dann das lang erwartete Manöver von hinten. Ashish, der Sprinter war plötzlich wieder da. Ich bin hier der Oldie und diese Jungs haben die Hälfte Lebenszeit auf dem Buckel und in den Beinen. Mit leichtem Laufschritt tippelt er an mir vorbei. Ob der Kopf das ausgleichen kann? Die kommenden Tage sollen es zeigen.
Bergab lief es ihm wesentlich besser. In sauberem Strassenlaufstil macht er schnell einige hundert Meter gut. Nach Überqueren einer Brücke am Chanab Fluss geht es die verbleibende Strecke mehr oder weniger eben bis zum Ziel. Aber nur mehr oder weniger. Immer wieder wird der Lauffluss durch leichte Kuppen unterbrochen. Weit vor mir kann ich Ashish mit hängenden Schultern die leichten Kuppen marschieren sehen. Er hat den Laufschritt beim Herauf verlassen, während ich konstant mein Tempo rennen kann. Bergab zieht er dann wieder an und enteilt mir. Ich kann in seinem Augenwinkel die Verwunderung erkennen, wenn ich ihn dann jeweils wieder überhole.
Das Prozedere nimmt erst ein Ende, als ein schwarzer Pickup neben mir auftaucht und mich nach meinen Kilometerstand fragt. Ich kann Baba, einen der Organisatoren erkennen. „43.2 Kilometer“, ist meine Antwort. „Ohhh, dann stopp hier!“, seine Ansage. Ich schaue ihn verwundert an. „Aber… wo ist denn die Ziellinie für die Tagesetappe?“ „Hier“, entgegnet Baba aus dem Pickup. 4.30 Stunden stehen zu Buche. Ging doch recht anständig über den ersten Pass.
Baba springt aus den Fahrzeug und der Fahrer gibt Gas, um den Sprinter einzuholen und ihm die Botschaft des erreichten Tageszieles mitzuteilen. Er hat von dem spontanen Entscheid nichts mitbekommen. War auch ein etwas abrupter Abbruch. Indisches Organisationstalent as it’s best. Ich mag diese unverhofften Momente. Die lächelnde Spontanität. In unserem durchgeplanten Leben sind diese Sichtweisen abhandengekommen. Es muss nicht immer alles genau, exakt, ordentlich und wie erwartet präzise vonstattengehen.
Ich kann darüber nur schmunzeln. Die Streckenlänge war für alle gleich. Und je länger ein Lauf hier draussen, umso mehr Genuss in einmaliger Natur. Frei jeglicher Bewertung liege ich auf dem roten Filzboden eines lokalen Teppichhändlers, der an seinem offenen Stand auf kaufkräftige Klientel wartet. Ungläubig beobachtet er mich bei Dehnübungen. Hinterfragt er? Ich denke, er nimmt die Situation einfach hin. Gelassen.
Auf zu ungewöhnlichen Höhen
Ab der zweiten Etappe wird es trostloser. Eine hochwüstenartige, von Steinen und losem Schutt dominierte Landschaft ersetzt saftiges Weideland. Und doch hat das Laufen hier seinen Reiz. Am Baralacha La, bei 4’900 Meter, werden Grenzen aufgezeigt. Die sich über die Schotterpiste hinaufquälenden, farbenfrohen indischen Trucks versprühen schwarze Russwolken, weit entfernt jeglicher Abgasnormen. Zusatzbelastung für die Alveolen, die den ohnehin schon eingeschränkten Gasaustausch in der Lunge mit starkem Brennen quittieren. Auch wegen dieser Art Herausforderung, den Grenzbereich des Menschenmöglichen auszuloten, betreiben wir Sport. Aussenstehende würden dies als Extremsport bezeichnen. Und doch gibt es gerade nichts Schöneres, als die bunten Gebetsflaggen am Passübergang im tiefen, kräftigen Himmelsblau flattern zu sehen.
Der Tag beginnt mit einer Schrecksekunde. Bei der Anfahrt nach Zing Zing Bar lauert die wahrscheinlich grösste Gefahr der gesamten Laufwoche. Der Ort, bestehend aus ein paar Dhaba’s, den typischen Strassenrestaurants mit Dhal Bat und Maggi Nudelsuppen im Angebot, und einer Strassenbau Kolonie, klingt eher nach einer einschlägigen thailändischen Strandbar. Unsere Transportkutschen stoppen. Bei Öffnen der Türen ist ein lautes Donnern und Grollen zu hören. Die Strassenbauarbeiter reden aufgeregt immer lauter durcheinander. Auf einem losen Kieshang kommt ein Felsbrocken mit geschätzten zwei Metern Durchmesser auf uns zugerollt. Niemand weiss so richtig, wo hinrennen, da der Koloss mit jedem Aufprall seine Richtung ändert. Der Ruhepuls erreicht hier bereits Maximalniveau. Es liegt nicht in unserem Einfluss, was jetzt passiert.
Und dann, mit einem kräftigen Ruck, verkeilt sich der Brocken an anderem Gestein. Tiefes Durchatmen. Die Gefahr ist auf natürliche Weise gebannt. Nochmal gutgegangen.
Unser Tagesgeschäft startet kurz vor acht Uhr. Die Sonne brennt vom wolkenlosen Himmel, als Vishwas das Startsignal gibt. Puhhh, die ersten Schritte fallen schwer. Die Lunge ist noch nicht bereit für tiefe Züge. Wir sind hier gerade mal auf 4’100 Meter. Heute soll an der 5’000er Marke gekratzt werden. Das kann ja heiter werden.
Aus früheren Wettläufen in diesen Höhenlagen weiss ich, dass nur Ruhe hilft. Nicht überpacen, kontrollierte Schritte. Einer der Mitstreiter stürmt nach dem Start ungestüm los. Nach wenigen hundert Metern ist der Ausreisser aber wieder gestellt. Während des ganzen Tages werde ich ihn nicht mehr sehen. Die zehn Starter verlieren sich schnell in ihrem eigenen Rhythmus.
Die Szenerie wird jetzt immer spektakulärer. Rundherum schneebedeckte Gipfel um die 6’000 Meter. Immer wieder geht es durch eiskaltes Wasser. Der schmelzende Schnee macht sich in flüssiger Form auf der Strasse breit. Knöcheltief. Erfrischend. Nicht darüber nachdenken. Kälte ist nur ein Gefühl. Das lässt sich ausblenden.
Der Strassenbelag hat unter dem vergangenen Winter gelitten. Den Asphalt weggespült, bildet grober Schotter die Fahrbahn. PKW, die sich auf den Weg Richtung Ladakh machen, setzen immer wieder mit weit mehr als nur der Auspuffanlage auf den herausragenden Felsen auf. Ich bin absolut froh, hier nur zu Fuss unterwegs zu sein. Die Freiheit der Bewegung wirkt tief befriedigend.
Auf diesem Streckenabschnitt begleitet mich Shorav, wie bereits gestern. Je näher wir dem Pass kommen spüre ich, dass er Mühe hat mitzuhalten. Ich will das Tempo aber auch nicht reduzieren, für mich passt es. Und so reissen jeweils Lücken bei den Anstiegen auf, die der Marinejunge auf den langen Geraden wieder schliessen kann. Erst kurz vor dem Pass gelingt mir ein hochgebirgstaugliches Manöver und er muss endgültig abreissen lassen.
Diese Einsamkeit, mit mir selbst in einer unwirtlichen Gegend zu sein, treibt mich immer wieder zu irgendwelchen Laufveranstaltungen in diese abgelegenen Ecken unseres Planeten. Es ist weder Abenteuersucht oder Erlebnishascherei. Vielmehr die ständige Suche nach versteckten Winkeln des Ich’s. Diese Areale, die im Alltag unergründbar bleiben, kehren sich hier in absoluter Leere an die Oberfläche. Aussergewöhnliche Belastungen unseres Systems zeigen Seiten auf, die sich in Routinen nicht darstellen. Wollen wir die überhaupt erforschen? Ich will!
Kleiner Triumph des Tages: als Erster erreiche ich die Passhöhe. Hier und da warten ein paar indische Touristen auf ein Selfie. Das kann dann auch schonmal in minutenlangen Zeremonien ausarten, bis jedes Familienmitglied an der Reihe war. Was soll’s. Alles Teil des Erlebnisses. Als Dank gibt es unzählige Lächeln.
Es läuft nicht immer wie geschmiert
Der Baralacha La ist mit 4’850 Metern schon mal eine Hausnummer. Da soll in den nächsten Tagen noch einiges mehr an Höhe kommen. Wieder leichter Schwindel und einsetzendes Kopfweh in der vorderen Stirnhöhle. So mache ich mich auf den Weg nach unten.
Von Laufschritt in dieser Höhe keine Spur. Ich wanke und weiche den indischen Trucks aus, die sich gefährlich nahe an mich heranwagen. Mit Hubkonzert und wildem Winken zollen sie mir ihren Respekt. Das nützt mir aber nix, wenn ich den Tag hier oben nicht überlebe. Risiken bestehen nicht nur aufgrund der Höhe. Schon wenige Meter weiter unten spiegelt sich das wahre Gesicht des Leh-Manali Highways wider. Ein Torso eines verunfallten Lastwagens liegt wie aus der Schrottpresse zusammengedrückt auf dem Dach neben der Strasse.
Irgendwann, so ab 4’600 Meter finde ich zurück in einen Laufschritt. Ich bin allein unterwegs. Von meinen Mitläufern keine Spur. Zeit, die Umgebung genauer unter die Lupe zu nehmen. Wunderbare Natur. Lose Sandhänge in gelb, lila, braun, grün. Schroffe Kegel früherer Erdrutsche. Rundherum schneebedeckte Gipfel. Dazu strahlend blauer Himmel. Hin- und hergerissen schwanke ich zwischen der Kraft der Berge und der Zerbrechlichkeit der Natur.
Immer wieder überholt ein Fahrzeug unseres Begleitteams. Die Verpflegung während des Events ist durch Begleitfahrzeuge sichergestellt. Exakt alle fünf Kilometer wartet ein Fahrer, oft begleitet durch freiwillige Helfer oder das Mediateam am Strassenrand mit Snacks und Getränken. Langeweile kommt aber auch zwischen diesen Checkposten nicht auf. Die vorbeifahrenden lokalen Reisenden sind sehr redselig und begeistert von uns Sportlern. Nicht selten wird um ein Selfie gebeten. Auch mit Applaus und aufmunternden Worten wird nicht gespart.
Je weiter der Weg nach unten führt, desto heisser wird es. Eine Minikrise erwischt mich bei Kilometer siebenundzwanzig. Im Zwiegespräch mit mir selbst entscheide ich, dieser keinen Raum zu lassen. Weiter geht es abwärts. Immer wieder springt jemand von der Media Crew auf die Strasse für den ultimativen Shot. Aus dem Wettkampf heraus soll ein kurzes Filmchen entstehen.
Nach Kilometer vierunddreissig öffnet sich die Landschaft. Das Tal weitet sich und wird flacher. Mental eine Herausforderung. Die bunten, in hohem Tempo vorbeirasenden Trucks, sind in zwei, drei Kilometer Entfernung immer noch sichtbar. Grünes Grasland rundherum. Strassenarbeiter dösen in der unbarmherzig gleissenden Mittagssonne.
Mein System hat sich wieder normalisiert. Also, die Atmung funktioniert scheinbar wieder tiptop. Der schwache Kopfschmerz hat die Stirnhöhle verlassen. Ab in den Laufschritt und weiter geht’s. Vor Sarchu erscheinen rechts und links der Strasse die ersten Camplager. Swiss Tents werden diese Zelte, meist Doppelbelegung mit eigenem WC genannt. Mir ist nicht bewusst, dass es solche in der Schweiz irgendwo gibt.
Von hier sind es noch drei Kilometer bis zur Tagesziellinie. Vishwas und Mediacrew warten bereits mit dem Banner am virtuellen Zielbogen. Geschafft, 5.37 Stunden auf der Uhr. War kein einfacher Tag. Die erste richtige Höhenprüfung. Bis auf die kurzen Alarmsignale am Pass hat der Körper gut mitgearbeitet. Nach und nach tröpfeln weitere Teilnehmer ein. Alle gezeichnet von Höhe und Sonne.
Gleich vier Situationen sind mir von der heutigen Etappe hängengeblieben. Der Steinschlag, die Trucks, die fast über die Füsse fahren. Die unglaublichen Eindrücke rauer Natur und wer da noch Freiraum für Gefühle hat, die leichten Probleme mit der Höhe.
Beim zweiten Marathon soll für einige Teilnehmer bereits Endstation sein. Die ungewohnte Höhe verursacht Alarmsignale der akuten Bergkrankheit. Starke Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, leichte Atemnot und verminderte Leistungsfähigkeit sind nur einige Beispiele für Symptome. Werden diese nicht beachtet, kann das für die Beteiligten fatale Folgen haben. Der Veranstalter ist sehr um das Wohl eines jeden Läufers besorgt. Es folgen unweigerlich: Herausnehmen aus dem Rennen, Versorgung in einem naheliegenden Militärkrankenhaus und schneller Transport in tiefer liegende Gebiete. Leider hat es beide Starterinnen erwischt. Auch in diesem Jahr wird sich keine Premieren-Finisherin in die Rangliste eintragen.
Überleben als Ziel
Überhaupt Rangliste. Wird bei solch einem Abenteuerwettkampf gegeneinander gekämpft? Es geht vielmehr um Zusammenarbeit, damit alle gesund und mit letztem Einsatz das Ziel erreichen. Ellbogen weichen Solidarität. Gemeinsam macht Sport mehr Spass. Vielleicht ist es auch das Bewusstsein um die lebensfeindliche Umgebung, dass das kleine Häufchen Starter und Helfer während des Wettkampfs näher zusammenrücken lässt. Eine Zweckgemeinschaft auf Zeit. Während des Wettkampfes wurde weder eine Rangliste veröffentlicht noch über Zeitabstände gesprochen. Und es war uns egal. Dem Miteinander war das nur dienlich.
Tag drei soll gemäss Veranstalter der härteste Tag werden. Die anstehenden zweiundvierzig Kilometer führen über zwei furchteinflössende Pässe, den Nakee La, 4’930 Meter und den Lachalung La, 5’053 Meter. Es gilt umso mehr, seinen Rhythmus zu finden und auf die Signale des Körpers zu hören, von Laufschritt in diesen Höhen keine Spur. Zum Wanken kommt ab und zu der rettende Sprung vor den vorbeibrausenden LKW an den Strassenrand. Gefahren lauern nicht nur aufgrund knappen Sauerstoffs. Immer wieder zeigt sich das wahre Gesicht der Höhenstrasse. An den Abhängen verrosten die Überreste verunfallter Vehikel.
Nach kurzem Transfer stehen wir am Fusse der Gata Loops. Einundzwanzig zu überwindende Kehren mit 500 Höhenmetern. Von 4’160 hinauf auf 4’660 Meter. Wir sind nun offiziell in Ladakh angekommen. Die imaginäre Grenze zwischen den indischen Bundesländern haben wir bei der kurzen Anfahrt am Morgen passiert.
Die Umgebung erinnert an weit entfernte Marslandschaften. Atemberaubend im wahrsten Sinne. Die Sandpiste wirbelt losen Staub auf. Willkommen in der Wüste. Dieser Sektor des Leh-Manali-Highway war Teil der alten Seidenstrasse. Wir sind in Ladakh angekommen, dem Land der hohen Pässe. Neben der Umgebung verändern sich auch die Menschen. Die tibetisch-mongolische Abstammung lässt sich nicht nur an den Gesichtern ablesen. Auch in Brauchtum und Ernährungsgewohnheiten sind wir mitten im Himalaya gelandet. Haben uns eine der ursprünglichsten Gegenden der Welt erlaufen. Ein ganz besonderer Flecken Erde. Die wahren Werte unseres Daseins lassen sich hier wieder einmal bestens erfahren.
Ab Start konnte ich gleich beginnen zu rennen. Es ging erstaunlich gut. Die Höhe war nicht spürbar. Bin ich bereits akklimatisiert? Wohl kaum, dafür braucht es wesentlich mehr Zeit. Bis zu vier Wochen braucht der Körper für eine anständige Umstellung. Nach wie vor gilt es, sensibel auf alle Warnrufe zu achten.
Nach einigen Kehren blicke ich in den Serpentinen nach unten. Durch langsamen, aber konstanten Laufschritt konnte ich bereits einen beträchtlichen Vorsprung rausgelaufen. Keiner wollte oder konnte mitgehen. Ich war im Genussmodus. Es ging irgendwie leichtfüssig.
Nach weiteren Kurven überholen die Fahrzeuge mit den ausgeschiedenen Läufern auf dem Weg nach Leh. Darin auch beide 480 Kilomater Starter. In Sarchu, nach etwa der Hälfte der Strecke war Schluss für beide. Die Cut-Off Zeit war einfach zu knapp. Von Trübsal allerdings keine Spur. Viele lächelnde Gesichter, aufmunternde Worte und Applaus schwappen mir entgegen. Sie tragen mich förmlich die Strasse hinauf. Ich bin immer noch am Rennen. Die Höhe war hier noch absolut nicht präsent.
Oben angekommen nach dreizehn Kilometern nimmt mit fortschreitender Tageszeit der Verkehr zu. Zwei Radfahrer überholen mich. US-Amerikaner auf dem Weg nach Leh. Kurzer Smalltalk. Es soll nicht die letzte Begegnung mit den beiden sein.
Es geht weiter rauf. Kurz vor dem Nakalee Pass bei 4’930m habe ich die beiden Radler wieder überholt. Bergan bin ich einfach schneller ohne Zusatzgewicht eines Zweirades. Für den Rest des Tages habe ich sie nicht wiedergesehen.
An der Passhöhe Helfer und Rennleitung. Zwanzig Kilometer sind Geschichte. Stopp für Fotos und Videodreh. Es ist bereits heiss. Lasst mich weiter. Fünf Kilometer Downhill warten. Herrlicher Downhill. Mit Blick auf den nächsten Knaller. Ab dem Verpflegungspunkt in Whiskey Nala (ja, der Ort heisst so. Es gibt auch Brandy Nala, wenn dir das besser mundet 😉) beginnt der Anstieg zum 5’053 Meter hohen Lachalung La Pass. Grausamer Verkehr. Langgezogene Kehren mit freiem Blick zurück ins Tal. Nur der Pass will und will nicht kommen. Dann endlich ein Verpflegungsposten in Sicht. Und von hier sind es nur noch 500 Meter bis zur Passhöhe.
Das übliche Prozedere. Fotos. Filmsequenzen. Während des Events hat die Media Crew über 12’000 (!) Bilder geschossen. Weiter, immer weiter. Die Strasse wird mit jedem Kilometer schlechter. Das grosse Ziel bleibt es, nicht von einem Truck erwischt zu werden. Mehrmals der rettende Sprung zur Seite. Immer wieder Fahrzeugskelette an den Abhängen. Die mit Sand überzogene Strasse wirbelt feinen Staub auf, der sich in der Lunge festsetzt. Zusätzlich zur Höhe eine weitere Einschränkung.
Für den verbleibenden Streckenabschnitt bietet eine atemberaubende Schlucht die volle Vielfalt des Himalaya. Eine Farbenflut, grobe Gesteinsformen, weggespülte Strassenabschnitte. Immer tiefer geht es in den Canyon, erinnernd an Bilder aus dem grossen Bruder in den USA. Rechts und links spriessen steil Sandsteinwände schier unendlich in die Höhe.
Nach genau 42.2 Kilometer dann die Ziellinie. Das muss man dem Veranstalter lassen, die Distanz hat er, bin auf den ersten Tag, absolut im Griff.
Wieder ein kurzer Transfer ins nächste Dorf. Pang heisst der Ort, bestehend aus vielen dieser lokalen Gästehäusern. Vorne ein kleines Restaurant mit Terrasse, dahinter in einfachen weiss getünchten Räumen ein paar Betten zu einer Schlaflandschaft zusammengestellt. Mit drei Laufkollegen teilen wir uns solch ein Luxusappartement. Luxus im Vergleich zur vorherigen Zeltübernachtung. Nicht vergleichbar mit westlichen Herbergen. Und doch springt die Gastfreundschaft schnell über. Bestens beköstigt lässt es sich aushalten.
Bei Chai Tee und Dhal, dem typischen Linsengericht könnte man sich dem Moment hingeben. Stünde nicht ein weiterer Marathon an. Auf die Einheimischen wirken wir wie Getriebene, hetzen durch Raum und Zeit. Dabei scheinen die Uhren hier anders zu ticken. Ja, manchmal stillzustehen. Willkommen in Ladakh, dem Land der hohen Pässe. Himalaya Lifestyle in reinster Form.
Es muss nicht immer steil sein im Himalaya
Die Nacht war gut. Ruhig. Schlafbar. Angenehme Temperatur in unserer Kemenate. Überhaupt ist es trotz Höhenlagen jenseits der 4’000 Meter unglaublich mild. Nachts fällt das Thermometer selten unter fünf Grad Celsius und tagsüber sind es dann gut fünfundzwanzig Grad. Ohne schattenspendenden Bewuchs unter stahlblauem Himmel brennt das schon ordentlich.
Und so stehen wir auch am heutigen Morgen, vor dem Start zur vierten Etappe, bereits um 7.30 Uhr in strahlendem Sonnenschein, ein Stück ausserhalb von Pang, auf einer 360 Grad Rundumblick spendenden Hochfläche. Fotomotive mit vielen Details. Klare Luft. Keine Störfaktoren spürbar. Nur die drei vorangegangenen Tage in den Knochen.
Moray Plains heisst dieser Teil des Himalaya. Ungewöhnlich im Hochgebirge führt die Strecke des vierten Tages flach durch ein weites Hochtal. Steppenartig öffnet sich die Landschaft. Nomaden haben sich rechts und links der Strasse niedergelassen. Schafe, Ziegen, Kühe und Pferde weiden auf wenig ergiebigem Grasland. Unser Fokus gilt dabei dem sturen Abspulen von Kilometern. Der Blick reicht bis in weite Entfernung. Motivation ist anders. Aber auch hier überwiegt das innere Glücksgefühl. Die Strasse befindet sich immer noch auf einer Höhe von 4’500 Metern. Kein Grund zu übermässiger Freude verbunden mit Sauerstoffvergeudung. Das Gefühlsbarometer zeigt tendenziell aber aufwärts. Der Körper kommt immer besser mit der dünnen Höhenluft zurecht. Das geht nicht allen Teilnehmern so. Ein Weiterer wird heute seine Startnummer deponieren.
Meine Strategie für den heutigen Tag sieht vor, einen lockeren Trainingslauf zu absolvieren. Einfach mal lostippeln und konstant auf der mehrheitlich flachen Strecke in durchschnittlichem Tempo die Landschaft geniessen. So erreiche ich schnell den ersten Checkposten nach fünf Kilometern. So schnell oder viel kann man gar nicht essen und trinken, wie hier Nachschub bereitsteht. Dankend winke ich bei der Frage, was ich benötige, ab. Wie an vielen Verpflegungspunkten sonst auch. Und so kommt später Vishwas auf mich zu und fragt, was ich eigentlich zu mir nehme. Sie haben mich nie etwas essen gesehen. Amüsiert erläutere ich ihm meine Ernährung während eines solchen Laufevents.
Neben einem kohlehydratreichen Getränkemix habe ich Trockenobst, einen Riegel und ein Reserve-Gel dabei. Dazu reichlich Wasser. In Verbindung mit einem guten Frühstück reicht das für eine Marathondistanz. Der Magen ist so viel weniger belastet. Bei ausreichend trainierter Fettverbrennung geht der Körper an die eigenen Reserven. Und davon haben wir genug. Im Anschluss an den Lauf wird dann umgehend wieder aufgefüllt. Mit Proteinen, Fetten und Kohlehydraten. Am besten auf natürliche Art. Mittels einer schmackhaften Suppe oder eben Dhal Bat. Das beinhaltet alle Stoffe, die wir benötigen. Ein Recovery-Shake ist auch immer im Gepäck. Ob dieser tatsächlich notwendig ist, lasse ich mal so im Raum stehen. Aber das Oberstübchen möchte ja auch positiv befriedigt werden.
In den Moray Plains komme ich gut voran. Es herrscht wenig Verkehr. Plötzlich fällt mir etwas auf: Vogelgezwitscher. Das habe ich seit Manali nicht mehr vernommen. Etwas erschrocken blicke ich mich um. Ich kann die gefiederten Freunde nicht erspähen. Aber sie sind da. Beruhigend zu wissen, dass Leben hier oben möglich ist.
Ich kann nicht mehr sagen, an welchem Moment auf der Strecke, aber irgendwann erreichen mich vier Radler von hinten. Die zwei Amerikaner sind nun zu dritt. Dazu hat sich noch ein weiterer pedalierender Reisender gesellt. Mit lauten «Hopp Schwiiz, hopp Schwiiz, immer wiiter» feuert er mich auf Schwiizerdütsch an. Keine Ahnung, woher er von meiner Wahlheimat weiss. Motivation und ein Lächeln gibt es mir auf jeden Fall.
Hans aus Liechtenstein, wie er mir am nächsten Verpflegungspunkt erzählt, als er auf mich wartet, ist für ein paar Wochen in Ladakh mit dem Mountainbike unterwegs. Danach zieht er weiter nach Südafrika. Er mag diese Art des Reisens und hat keinen Zeitdruck. Mit Anfang 60 hat er für sich entschieden, seinen Arbeitsprozess zu beenden und sich für ihn angenehmeren Dingen zu widmen. Und dazu gehört es, die Welt auf dem Zweirad zu erkunden. Mit all seinem Gepäck sieht er aus, als hätte er seine gesamte Wohnung um den Rahmen drapiert. Gut gelaunt schiesst er zu einem späteren Zeitpunkt im Geleit der Amerikaner wieder von hinten an mir vorbei.
Die Umgebung ist heute eher eintönig. Vermeintlich. Schön, aber kaum Abwechslung. Bis links auf spärlichem Grün eine Schafherde auftaucht. Und kurze Zeit später das dazugehörige Nomaden Camp. Ziegen, Schafe, Hunde. Ein Zeichen für das ladakhische Hochland, dass wir nun erreicht haben. Sonnenkollektoren an den weissen Yurten der Wanderhirten, kleine Grabegärten und aus Weidenruten geflochtene Zäune, darin all die Tiere, Kinder. Vor den Hütten steht nicht selten ein 4×4. Wir sind zurück in urbanen Gefilden. Was muss es für ein Leben sein. Ich versuche mich in diese Umstände hereinzudenken. Es gelingt mir nicht.
Genauso fühle ich mich betrachtet. Was denken diese Menschen über uns? Denken sie überhaupt über uns? Oder geht es tagtäglich ausschliesslich darum, am Abend eine Mahlzeit auf dem Teppich zu haben. Ich denke, das Letztere trifft am ehesten zu. Während wir ständig wertend durch das Leben gehen, gibt es Artgenossen, die sich auf das Wesentliche konzentrieren müssen.
Das ist es, was mich am Laufen reizt. Reduziert auf basics. Ein Fuss vor den anderen. Etwas Treibstoff nachfüllen und wir sind in der Lage, unsere Kreatur unendlich fortzubewegen. Du gehst nicht mal eben nur auf eine Laufrunde, wenn du trainierst oder in einem Wettkampf bist. Wir sind geboren, um zu laufen. Die einfachste Art der Weiterentwicklung. Nichts denken. Abschalten. Verlorengehen in den Gefühlen des Moments.
Debring rüttelt mich wach. Eine geschäftige Kreuzung, die den Tsomoriri See dem Leh-Manali-Highway nahebringt. Vor acht Jahren bin ich hier auf einer klapprigen Royal Enfield zum See abgebogen. Heute geht es im Laufschritt weiter Richtung Leh.
Etwas ausserhalb von Debring taucht unser Begleitfahrzeug auf. Vishwas und Pushkar, der Verantwortliche der Media Crew begrüssen mich. Die Ansage für heute ist: Vorbei am Nachtlager und für etwa einen Kilometer der Strasse folgen. Dort eine 360 Gradwende und dann wieder zurück, damit wir die Marathondistanz erreichen. Mental wieder eine Herausforderung. Am Tagesziel vorbei und über dieselbe Strecke zurück.
Als die Organisatoren mich sehen, springen sie in den Kleinwagen und fahren zum Wendepunkt. Sobald ich diesen passiert habe, überholen sie mich wieder und spannen bereits das Zielbanner für die Etappe. In der Hitze flimmern die nicht näher kommend wollenden weissen Kalksteinhütten. Nach über viereinhalb Stunden dann das ersehnte Tagesziel. Erschöpft sacke ich am Strassenrand auf den Asphalt. Die flachste, und doch am meisten fordernde Etappe ist zu Ende.
Pushkar konfrontiert mich mit einer Frage, über die ich so noch nicht nachgedacht habe. Seit dem zweiten Tag sei ich in Führung liegend. Ob mir das beim Laufen im Kopf herumschwebt. Ohne lange zu sinnieren kann ich ihm da eine Antwort geben. Absolut nicht. Jeder Tag stellt einen neuen Anspruch dar. Egal was gestern war, jetzt zählt nur die Gegenwart. Ich bin hier, um mir diese Strasse zu erlaufen. Auch als Letzter im Klassement würde ich das zelebrieren.
Wie schnell es gehen kann, zeigt sich am Beispiel des Mitstreiters Harsh. Er hat einen üblen Tag. In der Nacht kaum geschlafen, ohne Power schleppt er sich über die Strecke. Irgendwo noch vor Kilometer dreissig entscheidet der Veranstalter, ihn aus dem Rennen zu nehmen. Er kommt kaum noch vorwärts, will aber unbedingt finishen.
Er sieht nicht gut aus, als er unseren Standort erreicht. Es gibt nur eine Lösung: sofort ins Auto und ab ins tiefer liegende Leh. Dort gibt es entsprechende medizinische Betreuung. Ich hoffe, ihn morgen nach dem Rennen dort in besserer Verfassung wiederzusehen. Ich kann vorwegnehmen, dass das nicht möglich sein wird. Harsh muss drei Tage im Hospital verbringen, bis er wieder vollständig fit ist.
Verbleiben nur noch sieben. Mehr oder weniger gesund und bereit für den finalen Marathon. Die härteste Prüfung wartet. Die Überquerung des 5‘325 Meter hohe Tanglang La, bevor es runter Richtung Ziellinie in Rumtse geht.
Höhepunkt auf 5’325 Meter
Unsere Nachtlager sind ebenfalls Teil der Strasse. Einfache Blech- oder Lehmhütten, mit «Bedroom» oder «Hotel» gekennzeichnet, erreichen sie keinen 1-Sterne Status unter westlichen Verständnis. Ein Teppich oder eine kratzige Decke bieten ausreichend Komfort als Bettstatt. Eintauchen, verschmelzen mit lokalen Gegebenheiten gehört zum Reisen. Und auch bei Wettkämpfen in der Ferne sollte man sich dem Ergeben. Nur so wird das haftendbleibende Bild in der angemessenen Komposition gespeichert.
Zweifelsfrei sollte gute Erholung Teil der sportlichen Betätigung sein. Die eingeschränkte Schlafqualität ist aber für alle Beteiligten gleich und somit als Erlebnis abzutun. Auch daran gewöhnt sich unser System Mensch. Mehr oder weniger regeneriert geht es an den letzten Marathon.
Und der hat es noch einmal in sich. Der Tanglang La erwartet uns nach der Hälfte der Tagesdistanz. Trotz dünner Luft treibt uns die Euphorie des bevorstehenden Zieles über den Asphalt. Im lockeren Laufschritt, gefühlt in leichtfüssigen Trab schwebt es sich spielerisch dem Himmel entgegen. Von aussen betrachtet wohl eher an Taumeln oder schwindeliges Torkeln erinnernd. Wichtig für das eigene Gefühl ist aber nur, was du spürst. Am höchsten Punkt unseres Wettkampfes kann dann auch schon mal eine Freudenträne verdrückt werden. Unglaublich. Ein epischer Moment.
Die Strasse schlängelt sich fast schon mit Understatement in schwacher Neigung von drei bis sechs Grad dem Pass entgegen. Nichts Spezielles unter normalen Bedingungen. In Höhenlagen sieht das dann anders aus. Gegenüber dem Anstieg am Baracha La blieb ich heute von Kopfschmerzen verschont. Fast schon beängstigt gut ging es. Wie man so schön sagt: ich hatte einen Lauf.
Ab und zu mal ein Blick zurück auf die weit entfernt liegende Gipfel der Hauptkette des Himalaya. Auf der Strecke kann ich keinen weiteren Läufer ausmachen. Der Vorsprung ist zu gross oder meine Augen zu schlecht. Von beiden ein wenig.
Die fünfzehn Kilometer Anstieg verfliegen. Oben am Tempel mit den bunten Gebetsfahnen, der typischen Passdekoration, sehe ich Hans und seine amerikanischen Weggefährten. Sie können nicht verstehen, wie man hier herauf noch rennen kann. Nach kurzem Smalltalk stürze ich mich in die Abfahrt. Oder heisst es bei Läufern in den Ablauf? Solange ich mich nicht in einen Abfluss stürze, ist alles gut.
Kurz nach der Kuppe muss ich allerdings ins Gehen überwechseln. Es ist, als wäre die Euphorie verflogen. Habe ich mein gesamtes Adrenalin verbraucht? Es ist noch ein weiter Weg bis ins Ziel und ich will dieses in Genussmodus erreichen.
Die Motivation kehrt zurück als ich in Ferne die geschlängelten Kurven des Downhills erspähe. Die Arme der Asphaltdecke scheinen sich nach jeder Kehre zu berühren. Ein wenig wie ein angeschnittener Blätterteig. (was für ein Vergleich, es wird Zeit, dass dieser Bericht hier ein Ende findet). Dieser Strassenabschnitt liegt praktisch vor meinen Füssen. Und doch zieht es sich noch etwa zehn Kilometer, bis ich die Serpentinen erreiche.
Cruisend geht es wieder gut vorwärts. Durch diese Schlangenkurven verliere ich schnell an Höhe. Das Media Team hat ebenfalls Freude. Bilder wie aus der Vogelperspektive sind hier möglich. Überhaupt geben sich die Jungs alle Mühe, den Event und uns Läufer ordentlich in Szene zu setzen. Ist es störend, permanent vor einer Linse herumzuturnen. Die Anzahl Bilder trügt. Es bleibe jeden Tag ausreichend Freiraum in einsamer Natur. Zeit für Beschäftigung mit dir selbst. Nachzudenken über die Zuneigung zu diesem Flecken Erde.
Ich bin zurück. Himachal Pradesh und Ladakh. Wie hat sich diese Liebe entwickelt?
2015 während des Jahrhunderterdbebens in Nepal hätte ich in Kathmandu ein vier Wochen dauerndes Volunteer Programm an einer Schule machen können. Nachdem Kathmandu und das gesamte Tal stark vom Erdbeben getroffen wurden, gab es andere Sorgen als einen Auszeitsuchenden aufzunehmen. Alternativ fand ich über eine Suchmaschine Informationen über das ehemalige Königreich Ladakh. Ein Hidden Place, den es zu erkunden galt.
Kennt ihr diese Kindheitsträume? Berichte von weit im Amazonas zurückgezogenen Völkern, von Dörfern im Himalaya, die nur während einiger Monate Kontakt zur Aussenwelt haben oder von Gegenden und Landstrichen, in denen noch nie ein Mensch war. Schon als Kind übte das einen grossen Reiz auf mich aus. Ich wollte diese isolierten Orte sehen. Mir selbst ein Bild davon machen.
Ein unbeschreibliches Gefühl, wenn man sich dann wieder irgendwo mit sich allein fühlt. Fernab unseres Alltags. Eintauchen in Fremde. Beobachten. Lernen. Adaptieren.
An der finalen Ziellinie schwingt dann fast schon etwas Wehmut mit. Bereits am Ende dieser unglaublichen Herausforderung angekommen. Einmalige Erfahrungen gesammelt. Keine Grenzerfahrungen, da bleibt immer noch etwas Luft nach oben, im wahrsten Sinne dieses Hochgebirgsabenteuers. Von Erschöpfung keine Spur. Das könnte jetzt jeden Tag so weitergehen. Es gibt doch nichts Schöneres, als sich dem hinzugeben, was man am liebsten macht. Mit allen damit einhergehenden Umständen. Der High 5 hat auf 210 Kilometern Hochgefühle ausgelöst und langfristig hinterlassen. Genau wie der legendäre Leh-Manali-Highway.
Bei der abschliessenden Zeremonie im Garten eines Gästehauses in Leh wurden alle Teilnehmenden gebührend geehrt. Jeder einzelne hat sein Bestes gegeben und herausragende Leistungen erbracht. Diese besondere Strasse hat uns ihre Zähne gezeigt. Wir haben uns davon nicht beeindrucken lassen.
Und dann ist es auch Zeit für eine numerische Beurteilung unserer Leistungen. Nackte Zahlen: mit 26.35 Stunden konnte ich einen neuen Streckenrekord aufstellen. Auf den Zweitplatzierten ergab sich ein Vorsprung von eineinhalb Stunden nach den fünf Marathons. Ein Wimpernschlag auf unsere Lebenszeit gerechnet. Was wichtiger wiegt: jede Minute, die wir Läufer hier verbracht haben, allein auf dem Asphalt oder gemeinsam nach Lauf-Feierabend wirkt lange nach. Ein einmaliger Laufevent in unbarmherziger Umgebung.
Ein grosses Lob dem Veranstalterteam von The Hell Race um Vishwas. Sie haben es geschafft, mit viel Hingabe und stets dem notwendigen Sicherheitsgedanken einen Event der besonderen Art auf die Läuferbeine zu stellen. Wird es ein Wiedersehen auf dem Leh-Manali Highway geben? Es gibt da ja noch den Hell Ultra, die 480 Kilometer umfassende Königsstrecke…
Photo Credits «The Hell Race» und «ACTREME»
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