160 Kilometer in The House of Snow
Wir sind weit weg. Weg von westlichen Gewohnheiten und weit über Meeresspiegelhöhe. Das wird bereits einen Tag vor dem Start ins Laufabenteuer, bei der endlosen Eröffnungsansprache des Veranstalters klar. Eine kleine Gruppe bewegungshungriger Abenteurer lauscht gespannt, worauf es an den folgenden fünf Tagen ankommt. Das Rennen ist zum Geniessen, nicht zum Gewinnen da, ist eine seiner Aussagen. Einzigartige Ausblicke auf vier 8‘000er und die atemberaubende Natur werden spektakulär, da wäre es schade, einfach im Sauseschritt hindurchzupreschen. Die Teilnehmer sollen lieber in die Kultur eintauchen und die Gemeinsamkeit der bevorstehenden Kilometer schätzen. Eine weitere Ansage passt dann schon besser zu einem Mehrtageswettstreit: bewege dich im Jetzt, denke nicht an Morgen.
Als Übersetzung aus dem Sanskrit wird der Himalaya als „The House of Snow“ bezeichnet. Eine treffende Aussage für den höchsten Gebirgszug unseres Planeten. Hier im vorderen Himalaya, im indischen Bundesstaat Westbengalen, eingeklemmt zwischen Nepal und Bhutan liegt die Gegend rund um die Bezirksstadt Darjeeling. Eher bekannt für seine Teespezialitäten, gilt dieser Bereich des Himalaya auch als indische Wiege des Bergsteigens. Tenzing Norgay, Erstbesteiger des Mount Everest, zog als junger Mann in die Stadt und startete viele Expeditionen von hier aus.
Für uns Läufer ist diese Form des Berggenusses fern jeglicher Vorstellungskraft. Im Mountaineering Museum des Ortes bestaunen wir ehrfürchtig die rudimentäre Ausrüstung, mit der die Waghalsigen in den frühen Jahren des Himalaya Bergsteigens in unwirtliche Regionen oberhalb der Todeszone aufbrachen. Ausgestattet mit dem neusten Schrei der brandneuen Outdoor-Kollektionen wirken wir da arg überequipped.
Traditionen erleben
Seit 30 Jahren gibt es diesen Laufevent hier. Warum habe ich erst in diesem Jahr davon gehört? Lauffreunde nahmen bereits 2004 oder noch früher daran teil. Aber niemand hat sich getraut, die Veranstaltung aktiv zu empfehlen. Liegt es an der speziellen Art, wie das Himalayan 100 Mile Stage Race (HSR) organisiert ist? Was machen Traditionen einzigartig oder wie überlebt ein Boutique Event über solch eine lange Zeit? Fragen, die wir schon bald beantwortet bekommen.
Eine lange Geschichte verspricht Sicherheit. Hier wird wenig dem Zufall überlassen. Indische Genauigkeit und ein gereiftes Supportteam versprüht Vertrauen. Beim Eröffnungsbriefing werden alle Helfer, medizinisches Fachpersonal, Streckenmarkierer uvm. mit ihrer eigenen Story während vergangener Austragungen gewürdigt. Mr. Pandey, der Gründer des HSR und Veranstalter aller bisherigen Ausgaben, gräbt da tief im privaten Nähkästchen. Amüsant und mit wenig Neuigkeiten zu Strecke und Ablauf der nächsten fünf Tage verlieren wir uns während zwei Stunden Meetings in einem Raum, der mittels dutzendfachen Zeitungsartikeln und Plakaten keinen Hehl aus vergangenen, erfolgreichen Austragungen macht.
Mirik heisst unser Gast-Örtchen, das an einem See liegt. Ich kann es nicht bestätigen, da wir nach Anreise gegen Abend im Dunkeln, von Müdigkeit übertölpelt, noch diese abendfüllende Zusammenkunft hatten. Die Rufe des Bettes sind dann bereits durch die Gänge des Gästehauses zu hören. Die Anreise in diese entlegene Gegend hat am Körper gezehrt. Nach dem internationalen Flug mit Ankunft in Delhi folgt ein 2,5 Stunden Inlandsflug in den Osten des Landes. In Europa quert man in der gleichen Zeit den Kontinent, in Indien stösst man dabei nicht einmal an die Landesgrenzen.
Am kommenden Morgen ist Abfahrt zum Startort. Um 5.30 Uhr, es ist noch dunkel, verlassen wir gut gelaunt den Ort mit einem (vielleicht) See durch die satten grünen Teeplantagen, die im Schimmer des Morgenlichts hinter den vergilbten Scheiben des Buses auftauchen.
Unsere Gruppe besteht aus einem bunten Mix mit absolut unterschiedlichen Ambitionen. Der jüngste Teilnehmer, Sumedh (10 Jahre) will seinen Eltern (ebenfalls am Start) zeigen, dass er imstande ist, die abgespeckte Version über 100 Kilometer zu bewältigen. Die ältesten Mitstreiter, Helmut (81) und Brigitta (75) aus Österreich nehmen den Lauf als Anlass für ihre Abschiedstour. Sie sind während der vergangenen 40 Jahre durch die Welt gereist und haben Finisher Medaillen gesammelt wie andere Pilze. Über 600 Marathons und Ultraläufe hat Helmut auf seinem Kerbholz!
Es gibt auch die vorsichtigen, die ins Ungewisse blicken. Erstmals bei einem Mehrtageslauf dabei sind die meisten der Teilnehmenden hier. Dazu kommt die unberechenbare Höhe, die wir bereits morgen auf der ersten Etappe erreichen werden. Und für uns Westler stehen da immer auch die Vorurteile, die es beim Besuch anderer Kulturen abzuarbeiten gilt. Vertrage ich das scharfe indische Essen? Wie steht es um die Hygiene? Werden wir im Gewusel der 1,6 Milliarden Inder untergehen? So viel vorab: hier im Himalaya, wie auch in vielen anderen Gegenden Indiens, bleiben das Vorurteile. Bestätigt wird davon nur, was jeder bestätigt bekommen möchte.
In mir arbeitet da noch eine ganz andere Ungewissheit. Eine Woche vor Abflug ereilt mich nachts Fieber. Ein trockener Reizhusten am darauffolgenden Morgen lässt das anstehende Klassentreffen in Deutschland vergessen machen. Nichts wie nach Hause und ab ins Bett. Nochmals eine fiebrige Nacht und zwei Tage später hole ich mir ein Genesenen Zertifikat. Es war die dritte positive Welle des Virus, der mich nun regelmässig alle sechs Monate heimsucht. Nach zwei Tagen fühle ich mich wieder fit. Ein negativer Test 24 Stunden vor Abflug nach Indien und zumindest der Anreise steht nichts im Wege. Wird das aber reichen, um die 160 Meilen zu überstehen? Wie schnell regeneriert der Körper? Die Antwort werde ich schon bald bekommen.
Der Bus stoppt mitten im Wald. Toilettenpause. Naturtoiletten. Mehr oder weniger versteckt hinter Büschen findet jeder seinen Platz für die Notdurft. Die Luft ist noch kühl früh am Morgen. Durch die Baumwipfel leuchtet dabei aus der Ferne das klare, weisse, monumentale Massiv des Kanchenjunga, des mit 8’586 Metern dritthöchsten Berges der Welt. Ein Anblick, der nur die Toiletten hier draussen im Wald so schmücken kann. Das ist es doch, warum wir uns in ein solches Abenteuer stürzen. Ein fensterloser Raum eines 5***** Hotel WC’s hätte mir nicht dieses befriedigende Lächeln ins Gesicht zaubern können.
- Etappe Maneybhanjang – Sandakphu
Akklimatisieren wird überbewertet
Nach zwei Stunden Busfahrt über Rüttelpisten sind die Beine so gar nicht auf Start programmiert. Der Kopf schon. Das kleine Örtchen Maneybhanjang strahlt farbenprächtig in der satten grünen Umgebung. Häuserwände, Dächer, Mauern – alles ist andersfarbig gestaltet. In unwirtlichen Gegenden findet man diese leuchtend schmückenden Gebäude. Es ist, als würde man die harschen Lebensbedingungen mit Farbklecksen ins Positive umkehren. Es ist aber auch die positive Lebenseinstellung der Bewohner, die bunt zum Ausdruck gebracht wird.
Der Veranstalter versucht mehr oder weniger erfolgreich alle Starter für eine ausufernde Fotosession zusammenzubringen. Unzählige Foto- und Videokameras sowie Handys sind auf die Starttruppe, bestehend aus 28 Teilnehmern gerichtet. Die Sonne strahlt am tiefblauen Himmel und wärmt sogleich. Lange Hose und Jacke sind längst im kleinen Rucksack verstaut. Neben ein paar Snacks, zwei kleinen Wasserflaschen, einem Wechselshirt und ein paar sicherheitsrelevanten Utensilien wie einer Rettungsdecke und einer Trillerpfeife habe ich Trailrunning Stöcke für die erste, die Anstiegsetappe dabei. Der grosse Teil des Gepäcks ist bereits vor zwei Tagen nach Sandakphu gereist. Und nun endlich machen wir uns auf die Verfolgung.
Nachdem alle Werbebanner verstaut und jeder einzelne offizielle oder inoffizielle Fotograf sein Sujet im Kasten hat, erfolgt um 8.30 Uhr endlich der Startschuss. Also kein Schuss, das könnte fatale Folgen haben. Wir befinden uns an der Grenze von Indien nach Nepal. Linke Strassenseite Nepal, rechts Indien. Das soll für die kommenden drei Tage so bleiben.
Begleitet von Militärleuten in weissem Hemd und Khaki Pullover, scheinbar der Sonntagsuniform, ging es unter dem Applaus der Bewohner durch den Ort. Ich habe die einzelnen Läden nicht wahrgenommen. Es wiederholt sich allerdings in den Himalaya Regionen auch jeweils: Teestuben, Momo Restaurants, Trekking Agenturen, Outdoorshops. Und hier und da ein lokaler Tante-Emma-Laden, der die Bedürfnisse der Einheimischen vollumfänglich abdeckt.
An den letzten Häusern zweigt die Strasse nach links ab. Die Uniformierten verabschieden sich von mir. Mit freundlichem indischen Head Bobbling, diesem leicht wiegenden Kopfnicken/-schütteln, das im Normalfall ein «ja» bedeutet, schicken sie mich weiter. Und ich verstehe sofort, warum sie mich hier, 500 Meter nach dem Start bereits verlassen. Die Strasse steigt abrupt an. Für ein paar Meter ging es wie in eine Wand. Erstaunlich: ich nehme diese Rampe im Laufschritt, muss nicht mal ins Gehen überwechseln. Über unendlich erscheinende Serpentinen gewinne ich schnell an Höhe. Immer noch auf Teer unterwegs wechseln sich stramme Marschschritte und ein leichtes Tippeln ab.
In einer der Kehren schaue ich auf die steil abfallende Strasse zurück. Ich kann keinen meiner Laufkumpane erkennen. Bin ich zu schnell? Was sagt mein Köpergefühl? Wie habe ich den Covidinfekt verkraftet? Meine Atmung ist ruhig und aus der Lunge kommt trotz zunehmender Höhe keine negative Rückmeldung. Gestartet bei 1‘900 Metern übertreten wir hier nach vier Kilometern bereits die 2‘500 Meter Marke. Nach zwölf Kilometern sind wir über 3‘000 Metern angekommen. Das mal als nackte Zahlen.
Tatsächlich interessiert mich diese Rechnerei wenig. Ich lasse mich durch den dichten Urwald treiben. Meine Gedanken sind im Zoo von Darjeeling. Die dort zu besichtigenden schwarzen Himalaya Bären, rote Pandas und auch der bengalische Tiger sind hier heimisch. Bei früheren Austragungen wurden einige der Wildtiere gesichtet. So gut ich auch mit meinem immer mehr verkümmernden Augenlicht versuche, etwas sich Bewegliches im gründominerten Mischwald zu erspähen, es bewegt sich nix.
Was ich dagegen immer wieder buchstäblich auf dem Weg antreffe, sind indische Grenzbeamte. Applaudierend stehen sie vor den Toren der Kasernen. Wir sind eine willkommene Abwechslung im sonst eher tristen Alltag. Die Grenze stellt nicht wirklich einen Brennpunkt dar. Daher verstehe ich auch das grosse Interesse an gemeinsamen Selfies. Ob diese dann fürs Poesiealbum oder als Ablage im Tagesrapport dienen, ist mir gleich. Sie lächeln und sind freundlich. Wir teilen diesen wunderschönen Vormittag in klarster Lust mit Ausblicken auf den Kanchenjunga und die gesamte angrenzende Gebirgskette bis hinüber nach Bhutan.
Ein Luxus beim Himalayan Stage Race ist die kurze Entfernung zwischen den Verpflegungsposten. Alle drei bis vier Kilometer warten Helfer mit Wasser und diversen Snacks. Ich beschränke mich auf Wasser. Erst bei der jeweiligen Zielankunft folgen dann Kartoffeln mit Salz oder ein Stück Banane. Wichtig ist die Unterschrift auf der Startliste. Wenn diese an einem Checkposten fehlt, gilt der Lauf als DNF (did not finish). Es wird in den kommenden Tagen zur Routine, mich bereits von weitem mit lauten Schreien anzukündigen, damit der Zeitverantwortliche Stift und Zettel mit meiner Ankunftszeit vorbereiten kann.
So steil wie es bislang hoch ging, so geht es jetzt auch wieder runter. Die Strasse wird immer schmaler. Und doch gibt es noch Autos hier. Die Gegend um Darjeeling ist bei indischen Bergreisenden beliebt. Mit Koffern beladen rauschen die Touristenfahrzeuge mit mehr oder weniger hohem Tempo an mir vorbei. Ein Auto ist mir dabei fast über den Fuss gefahren. An einer Engstelle quetschen sich zwei Kleinwagen just in dem Moment aneinander vorbei, als ich dort war. Brav stehengeblieben zuckte keiner der beiden Fahrer zurück. Ich war in der Pflicht, meine Zehen in Sicherheit zu bringen. Gefahr lauert hier also nicht in Form von wilden Kreaturen, sondern wie so oft eher von Menschen.
Der Wald strotzt vor Saft. Wasser strömt über die Strasse oder in reissenden Flüssen unter zu überquerenden Brücken hindurch. Ich bin im Cruise Modus. Die Arme dabei ab und zu ausgebreitet sauge ich die frische, schattige Luft auf. Ich kann mir gerade keinen schöneren Ort vorstellen.
Im Tal wieder auf 2‘500 Meter angekommen, erwartet mich Laxman. Ein junger Helfer, der bei der Austragung 2019 den absoluten Streckenrekord aufgestellt hat. Für die Gesamtetappen über fünf Tage benötigte er nicht einmal siebzehn Stunden. Mir wird schwindelig. Nicht von der Höhe. Nur der Gedanke daran, durch diese überdimensionierten Berge hier in einem Formel Eins Tempo zu rasen, verursacht Stau in einen Gehirnkanälen.
Hier in Caribas ist für die 100 Kilometer Läufer für heute das Etappenziel. Sie werden jeweils kürzere Strecken absolvieren. Früher am Ziel sein oder später starten, je nach Tagesaufgabe. Für mich ist noch nicht Schluss. Laxman gratuliert mir, bestätigt, dass ich stark aussehe (diese unnützen Motivationsfloskeln, die ich vom Triathlon her kenne – you’re looking strong!) und schickt mich mit den besten Wünschen weiter auf meinen Weg.
Von Caribas geht es nur noch bergan. Geländemässig. Aufgrund der zunehmenden Höhe körperlich dafür bergab. Für diesen zweiten Teil habe ich mir die Trailrunning Stöcke aufgehoben. Sie leisten einen guten Dienst auf der holprigen steilen Steinstrasse. In Europa würde das als alte römische Kopfsteinpflaster Strasse bereits unter irgendeinem Kulturerbe stehen. Hier lässt sich das Alter nur erahnen. Römer sind höchst unwahrscheinlich als Bauherren, eher indisches Militär als Zubringer für die niemals endend wollenden Militärstützpunkte entlang der Bergkette.
Die Atmung ist nicht mehr auf 100 Prozent. Das sagt mir mein Körpergefühl. Weniger aufgrund des Infekts, eher der Höhenlage entsprechend. Die Schritte werden langsamer. Der Kopf ist nach vorn zum Boden geneigt. Nur nicht irgendwo an einem Stein anhängen und einen Salto machen. Unwahrscheinlich? Die Erfahrung hat mich da anderes gelehrt. Beim Laufen in Höhenlagen leidet auch der Laufstil etwas. Sofern der unter normalen Bedingungen vorhanden ist. Die Füsse schlurfen über den Untergrund. Jegliche Anstrengung wird minimiert.
In einem Dorf erwartet mich eine Frau mit einem knallgelben Gebetsschal. So ausgestattet kann es nur gut kommen. Ich bezeichne mich keines Glaubens angehörig. Diese willkommenen Gesten der buddhistisch basierten Bevölkerung regt aber niemals negative Gedanken an deren Lebenseinstellung. Der gute Geist wird mit einem gemeinsamen Foto untermauert. Ich weiss nicht, wieviele Bilder in dieser Woche entstanden sind. Die meisten sind nicht auf meiner Kamera. Ich kann mich aber an die Mehrzahl davon sehr gut erinnern. Diese starken Gesichtsausdrücke, geprägt von der Härte der Natur.
Jenseits von 3‘000 Meter muss ich das Tempo nochmals stark zurücknehmen. Ein leichter Kopfschmerz in der vorderen Stirnhöhle versetzt mich noch nicht in Panik. Von früheren Touren bis rauf auf über 6‘000 Meter erkennt mein Alarmsystem noch keinen Grund für eine Benachrichtigung.
Das Ziel Sandakphu thront weit über uns. Der letzte knackige Anstieg zieht sich über anspruchsvolle vier Kilometer. Auf der Schotterpiste mit engen Serpentinen wird mir bewusst, was ich in den vergangenen Stunden vermisst habe. Vor mir tauchen Menschen auf. Zu Fuss. Trekking Touristen mit dem gleichen Tagesziel wie wir. Der Ort scheint ein beliebter Ausflugspunkt zu sein.
Und dann, nach einer Linksbiegung erkenne ich ein paar hundert Meter weiter emsiges Treiben. Das Zielbanner wird gespannt. Militärleute beäugen mich interessiert. Und mit jedem Schritt näher Richtung Tagesziel verstehe ich, warum Sandakphu der „Place to be“ hier oben ist. Ein 360 Grad Panoramablick öffnet sich. Neben dem Kanchenjunga reicht der Blick bis zum Mt. Everest, Lhotse und Makalu, drei weiteren 8‘000ern. Da gehen die unzähligen, etwas weniger imposant wirkenden 7‘000er und 6‘000er fast unter.
Nach etwas über fünf Stunden habe ich den ersten Abschnitt über 34km hinter mich gebracht. Die positiven 2‘600 Höhenmeter haben keine gravierenden Spuren in Körper und Geist gezeichnet. Ich bin relativ entspannt. Ein leichter Kopfschmerz und eine gesunde Übelkeit befinden sich im grünen Bereich. Nach und nach treffen die Trekking Leute ein, die ich auf den letzten Kilometern noch überholen konnte. Eine junge Frau ist da bereits raus aus der Komfortzone. Mit vollen Schwung ergiesst sich der Mageninhalt am Wegesrand. Willkommen im Himalaya!
Es ist früher Nachmittag. Die Sonne schickt ihre volle Kraft. Glückselig liege ich im Gras und warte auf die nachfolgenden Mitstreiter. Ein Helfer bietet mir an, einen Eimer mit Wasser für eine Dusche auf dem Holzfeuer zu wärmen. Dankend wiege ich den Kopf. Es geht schnell und die Gewohnheiten schwappen über.
Eine kräftige Champignonsuppe lässt die Gefühle weiter fröhlich tanzen. Unter dem Applaus für folgende Ankommende schlummere ich genüsslich ein. Ein grosser Vorteil so eines Etappenlaufes: ausser Laufen, Essen, Schlafen gibt es kaum etwas Verpflichtendes. Gut, der morgendliche Vorstart-Foto-Wahnsinn wird bleiben. Das lässt sich aber bestens ertragen.
Am späten Nachmittag verabschiedet sich die Sonne dann in voller oranger Farbenpracht. Die fernen Gipfel leuchten weiter unter dem sternenklaren Himmel. Die lassen sich nicht ausknipsen.
Das Abendessen hält gewohnte Himalaya Speisen bereit. Dhal Bat, Linsen und Reis, Gemüse, eine Suppe und ein paar Dosenfrüchte zum Dessert reichen völlig aus, um 19.30 Uhr zufrieden ins Bett zu fallen. Der leichte Kopfschmerz ist noch da. Kein Wunder bei einer Höhendifferenz von über 2‘000 Metern im Vergleich zur Vornacht. Die Herzfrequenz ist etwa zehn Schläge höher als zu Hause und die Sauerstoffsättigung erreicht bei weitem noch keine 90 Prozent. Und doch ereilen mich nicht die bei den begleitenden Ärzten alarmierenden Symptome. Als einer von wenigen habe ich kein Diamox, das im Himalaya gängige Mittel gegen die Höhenkrankheit, genommen.
Nachts um ein Uhr treibt mich die Neugier aus der Bretterbaude. In klirrender Kälte stehe ich mit offenem Mund staunend unter einer Sternenshow, die wie auf einer Käseglocke aufgemalt über mich gestülpt ist. Die Natur ist erbarmungslos. Selbst wenn wir schlafen, wird inszeniert.
- Etappe Sandakphu – Molle – Sandakphu
Grenzgänger
5 Uhr von selbst aufgewacht. Noch vor Sonnenaufgang stehe ich draussen auf einem Hügel mit diesem unglaublichen Panoramablick. Was für eine Morgenstimmung! Auch wenn ich so etwas schon einige Male erleben durfte, begeistert es immer wieder aufs Neue, wenn die ersten Sonnenstrahlen die Berggipfel jenseits der 8‘000 sanft berühren. Barfuss, in Flip-Flops, mit kurzer Hose und Daunenjacke spüre ich keine Kälte. Dieser unnachahmliche Moment wärmt.
Es war eine gute Nacht. Ich bin immer wieder erstaunt, wie erholsam es sich auch in grossen Höhen schlafen lässt. Der leichte Kopfschmerz ist immer noch präsent. Kein Grund zur Beunruhigung. Da geht es anderen Mitschläfern wesentlich schlechter. Sie werden weiterhin mit Diamox gefüttert. Und erwachen pünktlich bis zum Start aus ihrem nebligen Schwindelgefühl.
Bis zum Aufreihen am heutigen Ausgangspunkt verbleibt noch viel Zeit. In der kleinen Bude, die als Essenraum dient, treffen sich mehr oder wenig zerknittert Erwachende bei Porridge und Tee. Es braucht nicht viel, um zufrieden zu sein. Ich tausche gern an so einem Morgen die Szenerie mit einem westlichen Bäckerladen. Ok, der Kaffeeduft fehlt. Aber bei uns würde es nie Toastbrote geschmiert mit Ketchup geben! Ich verschmähe diese, selbst für Himalaya Bereiste, ungewohnte Morgenspeise. Wie die meisten anderen auch. Der Turm dieser weiss-roten Dreiecke nimmt einfach nicht ab.
Heute stehen knapp 30 Kilometer auf einer Wendepunktstrecke an. Wir bleiben in Höhen von über 3‘000 Meter. Die raue Jeep Piste verläuft hügelig auf und ab. Ab einem Checkposten auf halber Strecke geht es über den gleichen Weg zurück.
Start ist um 8 Uhr. 7.30 Uhr wird aber schon zur Besammlung gebeten. Genau, DIE Zeremonie wartet. Wieder unzählige Fotos, bis auch der letzte Teilnehmer eingetroffen ist.
Leicht bergan geht es direkt ab der Startlinie durch den kleinen Ort Sandakphu. Links zwei Gästehäuser auf der nepalesischen Seite, rechts ein dörflich anmutender Militärstützpunkt auf der indischen. Einzig Grenzsteine weisen auf die imaginäre Barriere hin.
Die Strasse, wenn man es so bezeichnen möchte, wandelt sich schnell zu einer schier unfahrbaren ausgewaschenen Piste. Zum Glück dürfen wir laufen. Und selbst das bedarf einiges an Konzentration. Denn diese permanente Ablenkung vor uns, links und rechts ist omnipräsent: die im Morgenlicht strahlend weiss leuchtende Bergkette dieses, die ganze Erdfläche überspannend erscheinenden Massivs. Der Himalaya in reiner Form. Hart und ehrlich. Die Ausblicke lassen mich schweben. Ich fliege!
Am Start noch mit leichter Jacke und Hose geschützt, kommt schnell wieder der Moment, indem die Sonne ihre ganze Kraft auf die Erde entlässt. Das Zwiebelprinzip bewährt sich wie so oft. Abschälen heisst es jetzt. Und schon bald tanze ich in kurzer Laufhose und T-Shirt durch die frische Atmosphäre.
Die ersten Checkposten mit angefragten Autogrammen kommen schnell. Mittlerweile weiss ich, mein Name steht in der dritten Zeile. Die Unterschriften werden von Mal zu Mal unleserlicher. Am fünften Tag soll ein kurzes Krickel Krakel genügen, um mich als der auszuweisen, der ich bin. Apropos ausweisen: bloss hier nicht nach links abdriften. Der Veranstalter hat gewarnt, die Grenze zu überschreiten. Reisepass haben wir keinen dabei. Der ist irgendwo in einem Begleitfahrzeug deponiert. Und doch kann ich nicht widerstehen. An dem ein oder anderen Grenzstein muss ich kurz mal rüber machen. Ahhh, die Luft in Nepal riecht doch auch toll!
Fast in genau so engen Abständen, wie unsere Verpflegungsposten, sind die Militärstützpunkte aufgereiht. Immer und immer wieder: Fotos. Selfies oder einfach nur ein Shot im Vorbeirennen. Fragt mich bitte nicht, was die Grenzer mit den Aufnahmen machen. Ich bin aber jedes Mal schön geduldig und gebe mich lächelnd dem Prozedere hin.
Da aber auch ich permanent am Handy daddele (nein, keine Spielsucht, stattdessen immer wieder fotografisches Festhalten der unwiederbringlichen Natureindrücke), passiert mir ein Missgeschick, über das ich noch lange schmunzle. Mit kalten Fingern, beim Versuch das multifunktionale Mobilgerät im Rucksack zu Verstauen, fliegt es mir mit hohem Bogen links einen Abhang hinunter. Ja genau, links. NICHT nach links abdriften… Soll ich mein überlebenswichtiges, mit sämtlichen, gespeicherten Eindrücken der vergangenen Jahre und all meinen Kontakten weit über den privaten Bereich hinaus der nepalesischen Natur überlassen? Wird es einem Schwarzbären oder roten Panda künftig etwas nützen? Ich komme zum Schluss: alles, was ich in den Bergen hinterlasse, sind Fussabdrücke. Das soll auch so bleiben. Also rasch rüber ins verbotene Land, an Dornbüschen den Abhang hinuntergehangelt und da liegt es schon. Friedlich am Boden. Ohne ein störendes klingelndes Geräusch. Verbindung haben wir seit zwei Tagen bereits nicht mehr. Ich bin kurz am überlegen, es doch zurückzulassen. Als Zeichen von Freiheit, keine ständige Erreichbarkeit, weit weg von Alltagssorgen. Und doch fällt dieser Schritt schwer. Bevor ich den Wettlauf wieder aufnehme, wird es sicher in der Tasche verstaut. Das Leben kann weitergehen.
Der Wendepunkt bei Kilometer vierzehn ist bald erreicht. Nach schier unendlichem Anstieg, gut, es waren vielleicht drei Kilometer – in Höhe fühlt sich das wesentlich länger an. Nach kurzem Smalltalk mit den Jungs und dem unvermeidlichen Selfie mit dem Militärofficer geht es auf den Rückweg. Für ein paar Minuten mit dem Everest direkt in Blickrichtung. Ach, was ist das Leben schön. Ich bin allein und gebe mich dem Moment hin. Schon wieder. Und das kann auch noch ewig so weitergehen.
Nach etwa fünfzehn Minuten kommen mir die nachfolgenden Läufer entgegen. Alle sind bestens gelaunt dank der unglaublichen Kulisse. Wir werfen uns ein Lächeln und die ausgestreckte Hand zum High Five zu. Worte braucht es keine. Respekt lässt sich lautlos zollen. Und den habe ich bei allen dieser Events. Vor jedem einzelnen Teilnehmer. Jeder trägt seine Geschichte mit sich. Bei einem Mehrtageslauf lernt man die Mitstreiter anders kennen als bei einem Marathon oder auf noch kürzerer Distanz. Die gemeinsame Leidens- aber auch Genusszeit ist einfach länger. Und solch unvergessliche Momente wie das kollektive Bestaunen eines Berges von Ketchup-Toastbroten.
Ich fliege. Vorbei an tiefblau leuchtenden Seen mit diesen farbigen Gebetsfahnen umspannt, durch pittoresken Wald mit teils schwarz verkohlten Stämmen (auch in diesen Höhenlagen gibt es Baumbewuchs) und auf einem wüstenartigen Hochplateau, das diese Aussicht genehmigt, die mittlerweile tief eingebrannt ist in die Gehirnwindungen. Es macht riesigen Spass.
Covid? Ach ja, vor einer Woche war ich ja noch positiv. Ganz kurz kommt es mir in den Sinn. Und schon bin ich wieder in meinem eigenen Element. Wilde Pferde und eine Ziegenherde lenken meine Gedanken ins Hier und Jetzt.
Etwa drei Kilometer vor dem Ziel applaudiert ein älterer Mann von der nepalesischen Seite irgendwo am Strassenrand. Er kommt auf mich zu und beglückwünscht mich. Ich sei «forst» und tue well. Nach kurzen Hirnanstrengen ist mir klar er meint «first». Er will mich unterstützen und ein Stück mit mir rennen. Auf die Frage, ob er Nepali sei, antwortet er in strengem Akzent «yes, Nepali yes». Und er wiederholt, das ich erster sei und er mir Support geben will. Und er rennt wie ein Wilder neben mir. An einem Anstieg schiebt er mich gar. Nebenher kurbele ich die Konversation an. Khagendra, was so viel bedeutet wie „Herr der Vögel“ ist pensionierter Militärangestellter und hütet eine Ziegenherde hier oben. 25 bis 30 Tiere. Genau festlegen wollte er sich nicht. Und er war beim Militär ein Läufer. Einmal hat er in Singapur einen Preis gewonnen. Zwischendrin schüttelt er immer wieder meine Hand. Er beglückwünscht mich zur Führung. Und ich danke ihm unentwegt für seine Begleitung. Es ist ein kurzweiliger Streckenteil. Und es sind genau diese Momente, die mir von den abgelegenen Gegenden in Erinnerung bleiben. Einen Kilometer vor dem Ziel verabschiedet er sich abrupt. Er müsse nach rechts zurück über die Wiese nach Nepal. Und ich solle weiter meinen Weg nach Sandakphu zur Finishline machen. Shake hands und namasté und er ist verschwunden. Das Bemerkenswerte: wir waren keineswegs langsam am Rennen. Und er weder in Laufschuhen noch sonstigem Sportequipment. An seinen Beinen … goldene Gummistiefel. Er bestand natürlich auch auf einem gemeinsamen Bild.
Den letzten Anstieg zur Ziellinie hatte ich nur diese Begegnung im Sinn. Schmunzelnd erreichte ich auch heute das Ziel als erster. Vielleicht dank der Unterstützung meines neuen nepalesischen Freundes. Beim letzten Schrei in Sachen Gummistiefel auf dem lokalen Markt konnte ich dann aber doch widerstehen.
- Etappe Sandakphu – Phalut – Rimbik
Mt. Everest Challenge Marathon
Es geht früh los. 4 Uhr klingelt der Wecker. Wie steht es um meine inneren Werte? Also Sauerstoffgehalt und Herzfrequenz… 86% Oxygen Level und eine Ruhefrequenz von 54. Im europäischen Umfeld würde ich bei diesen Angaben entspannt im Bett bleiben und auf Sport verzichten. Hier oben lassen sich auch am Tag 3 keine Wunder am Körper vollbringen.
Eine Anpassung an die Höhe ist so schnell nicht möglich. Und darum die gute Nachricht des Tages: es geht heute wieder runter auf 1‘900 Meter. Mit einer kleinen Randbemerkung: erst nach Absolvieren eines Marathons erreichen wir das Tagesziel.
Als Basis dienen wieder die bewährten Frühstücksdelikatessen: Milchtee und Porridge. Entspannt beobachte ich vom Schlaflager aus, wie bereits um 5.30 Uhr die 100 Kilometer Läufer zu ihrem, dem Ziel näher liegenden Startpunkt gefahren werden. Ich bleibe dabei: lieber laufe ich auf dem für Fahrzeuge untauglichen Untergrund, als in einem Allrader den Kopf anzuschlagen.
Kurz darauf stehen die verbliebenen 100 Meilen Teilnehmer an der Startlinie. Ja, die Fotos. Auch in der morgendlichen Kälte gibt es kein Erbarmen.
Die ersten vierzehn Kilometer sind den gestrigen identisch. Ich warte vergeblich auf meinen Gummistiefelfreund. Wurde er nach dem illegalen Grenzübertritt inhaftiert? Naheliegender ist, dass er sich um die wirklich wichtigen Dinge in seinem Leben kümmern muss, die Ziegenherde.
Dem Kanchenjunga kommen wir heute so nah wie nie zuvor. Dieser Brocken an verschiedenen Gipfeln wirkt wie ein Gebirge für sich selbst. Ich versuche mir vorzustellen, dort hinaufzusteigen. In den schroffen Eis- und Felsformationen kann ich allerdings keine geeignete Route erkennen. Das ist eine andere Welt. Bergsteigen hat mich noch nicht ergriffen. Was nicht ist, kann ja noch werden. Jetzt aber erst einmal den neuen Tag aufsaugen.
Es wiederholt sich und ist doch immer wieder neu. Militär, Natur, blauer, wolkenloser Himmel, Berge, grün, Wald, Steine auf dem Weg und alle drei bis vier Kilometer der Applaus der Crew an den Checkposten. Etwas ist doch anders: ein Schäferhund gesellt sich am Wendepunkt in Pallut zu mir und begleitet mich ein Stück auf dem Weg zurück. Willkommene Abwechslung. Wir haben uns viel zu sagen. Also ich führe einen Monolog. Aber zumindest kann ich die Ausdrücke in seinen Augen erkennen. Er ist genauso happy über die Überraschung in seinem sonst so vorbestimmten Leben. Selten verirrt sich ein bunt gekleideter, mit absurdem Dialekt auf ihn einredender, schneller als die lokale Bevölkerung durch die Zeit rasender Ausserirdischer.
Nach ein paar Kilometern treffe ich auf die folgenden Läufer. Und kann ihnen Pallut, so habe ich den Rüden nach seinem Heimatort getauft, für seinen Rückweg anvertrauen. Er schaut mir kurz nach und versteht meine Worte. Ein Umzug heute noch in einen fremden, etwa 30 Kilometer entfernten Ort wäre nichts für ihn. Also, falls du bei einem künftigen Besuch in Pallut auf ihn triffst, richte schöne Grüsse von mir aus.
Bin ich schon im Delirium? Nein, auch wenn das Territorium absolut Anlass dazu geben könnte. Nach Verlassen der Hochwüste tauschen wir die Umgebung mit sattem, dichtem, dunklem Dschungel. Die hinteren 100 Kilometer Läufer tauchen auf einem Singletrail vor mir auf. Wieder grosse Freude, einander zu begegnen. Einer der Läufer folgt mir für ein paar hundert Meter. Mit Handzeichen auf seine Lunge lässt er mich dann aber meines Weges ziehen. Es läuft. Und es läuft sich sagenhaft. Von hochalpiner, messnerscher Bergkulisse wechseln wir in ein Herr der Ringe Szenario. Die Trails teils nur hüftbreit. Ausgewaschene, ebenfalls nur schulterbreite Schluchten inmitten roter Erde. Es ist nicht einfach, überhaupt einen Fuss vor den anderen zu setzen. Zwischendrin mal balancieren auf Holzbalken durch morastige Grasnaben. Pfeile, Streckenmarkierungen überall, Bodenabsätze körperhoch, die Eindrücke überschlagen sich. Und ein Sekundenbruchteil Unachtsamkeit genügt und ich rolle kopfüber seitlich des Trails durch das Gras. Kurz mit dem Fuss an einer Wurzel angehängt reicht, um das Gleichgewicht zu verlieren.
Schmunzelnd bin ich längst wieder auf den Beinen und weiter unterwegs. Und überhole immer mehr der 100 Kilometer Starter. Auch heute keine Bären, Tiger, Pandas. Und doch vollkommen ausreichende Eindrücke, um Distanz und Zeit vergessen zu machen.
Mit jedem abnehmenden Höhenmeter wird es nun heisser. Und immer noch grüner. Der Bewuchs wuchert überall. Und da, durch dieses Dickicht erspähe ich das erste bunte Haus. Ein Dorf. Menschen. Leben. Diese bunten Bauwerke wie Farbtupfer an den grünen Hängen drapiert. Es fühlt sich an, als wäre ich gerade wieder auf der Erde gelandet. Nach einem Trip zu einem fernen Planeten. Fahrzeuggeräusche kommen auf. Bauarbeiten verursachen Lärm. Willkommen zurück. Fluch oder Segen. Alles hat seinen Augenblick.
Über unförmige Serpentinen-Treppenstufen verliere ich schnell an Höhe. Kopfschmerzen habe ich schon lange nicht mehr. Und schon bald darauf stehe ich an der Brücke in Sri Khola. Ein reissender Fluss stürzt sich zu Tal. Ein junger Bewohner möchte ein Foto von mir. Ich nutze diese Gelegenheit auch jeweils und lasse ein Bild mit meinem Handy schiessen. Das war heute sicher verstaut und gab keinen Grund zur Aufregung.
Ab der Brücke folgt die Laufstrecke der Teerstrasse für finale fünf Kilometer. Geschäftige Bergdörfer mit applaudierenden grossen und kleinen Fans lassen diese kurzweilig erscheinen. Ein Polizist, ein ungewohnter Anblick nach den Militärangehörigen der vergangenen Tage, macht Fotos von mir. Ich habe diesen Foto-Verfolgungs-Wahn. Wird mich das je wieder loslassen? Nein, es ist Teil dieser Laufgeschichte und Teil des Himalayan Stage Race.
Die Etappe nimmt ihr Ende inmitten des von Menschen umherwuselnden Dorfes Rimbik. Es ist Markttag. Zwischen Gurken, Bohnen, Gewürzmischungen und bunten Synthetik Kleidern für jedes Lebensalter wird dann pünktlich zu meiner Ankunft noch das Zielbanner gespannt. Freude herrscht. Nach 5.47 Stunden in kaum zu übertreffender Natur nenne ich es einen gelungenen Tag.
Das Gästehaus direkt an der Ziellinie überrascht. Suppe, Popcorn und knusprige Maisbrotfladen stillen den ersten Hunger. Und eine heisse Schokolade wird unerwartet angeboten. An den Wänden verschiedenste Startnummern von Lauf- und Mountainbike Rennen. Tenzing, der Betreiber der Pension, ist begeisterter Mountainbiker. Schon bald gibt er preis, dass er in der Schweiz auf der Weltcup Strecke in Lenzerheide war und Nino Schurter getroffen hat.
Der Mann seiner Tante sei Schweizer, der seit 25 Jahren hier in Rimbik lebt. Im Moment ist er in seinem Wochenendhaus. Vermutlich geflüchtet vor uns über den Ort einfallender Gruppe Ungeduldiger. Er habe längst die entspannte buddhistische Lebensart angenommen. Diese wird uns eindrücklich durch die Familie vermittelt. Ausserordentlich freundlich und zuvorkommend werden wir als ihre Gäste behandelt. Und der Garten des Hauses ist mit viel Liebe dann auch eher westlich als Himalaya gebirgig gestaltet. Palmen, Sukkulenten, englischer Rasen – alles so gar nicht typisch.
Weitere Läufer treffen ein. Und schwärmen von den abwechslungsreichen Laufkilometern heute. Jeder hat dabei seine eigene Geschichte erlebt. Einzig diese Oase hier in Rimbik vereint uns.
Die Sonne tut gut. Und lässt mich wegdösen. Mein Körper fühlt sich entspannt an. Sauerstoffgehalt 98% und Herzfrequenz um die 50. Es gibt keinen Grund mehr, innerlich gegen ungewohnte Umstände anzukämpfen.
- Etappe Rimbik – Palmajua
Back to Civilization
Um 5 Uhr öffne ich die Augen. Nicht zum ersten Mal in dieser Nacht. Andauerndes Hundegebell ab 3 Uhr hat keinen geruhsamen Schlaf zugelassen. Trotz immer wieder kurzen Wachphasen fühle ich mich erholt. Das ist eine Erkenntnis von früheren Mehrtagesläufen: anstatt energetisch abzubauen, werden Körper und Geist von Tag zu Tag stärker. Noch ein letztes Mal überprüfe ich HF und Oxygen. 42 und 99, meine von Hause gewohnten Werte sind zurück.
Der Himmel erstrahlt wieder in diesem unvergleichlichen Himalaya Blau. Bereits um 6 Uhr wuseln die ersten Kinder des benachbarten Internats umher. Ich würde gerne einen Tag mit ihnen in der Schule verbringen. Das ist allerdings nicht die Mission für heute.
Fast schon träge verbringen wir die Zeit bis zum Start. Easy morning. Die Startzeit ist auf 8.45 Uhr angesetzt. Die vergleichsweise kurze Etappe von 19 Kilometern bestreiten 100 Meilen und 100 Kilometerläufer gemeinsam. Also zumindest den Start. Dann zieht sich das Feld bei Verlassen des Ortes schnell auseinander. In den Gassen herrscht Ruhe. Die meisten Läden sind noch geschlossen, einzig Schuluniformen bewegen sich Richtung Klassenzimmer.
Abschüssig rollt es gut auf einer acht Kilometer Teerstrasse. Der Blick schweift dabei über das weite Tal auf die steilen, gegenüberliegenden bewaldeten Hänge mit den bunten Farbtupfern. Ein Impressionist könnte das nicht besser zeichnen. Die Einschnitte ins Tal sind bis zu 1‘000 Meter tief. Schnee gibt es in diesen Höhenlagen selbst in den Wintermonaten nur an einzelnen Tagen. Die malerisch angelegten Terrassenfelder zeugen von Fruchtbarkeit. Langeweile ist anders, trotz Laufen auf einer befestigten Strasse. In der Ferne ist die Silhouette Darjeelings erkennbar.
Die Verpflegungsposten verfliegen heute förmlich. Ich muss nur einmal eine kleine Flasche mit Wasser nachfüllen. Mein Körper fragt nicht nach mehr. Das Tempo ist moderat. Ich bin nicht im roten Bereich. Die Reserven am eigenen Leib genügen.
Ab der Hälfte der Strecke geht es in den Gegenanstieg. Ebenfalls auf Asphalt, aber der Untergrund wird schlechter. Der Wald ist naturbelassen. Urwald. Hängende Äste ranken sich um moosbedeckte Stämme. Unter Zedern und allerlei Laubbäumen mischt sich Bambus. Überdimensioniert. Schätzungsweise 20-25 Meter hohe Stämme. Fauna gibt es nur wenig zu entdecken. Mal ein Eichhörnchen, oder ein Vogel, der durch die Baumwipfel stürmt. Nichts Spektakuläres.
Genau wie die Etappenankunft. Hinter einer Kehre wartet das Banner. Bei jedem kreuzenden Auto springen alle Beteiligten auf die Seite, um im nächsten Moment wieder bereit zu sein für den kommenden Läufer. Nach gemütlichen 2.15 Stunden und vielen Fotostopps unterwegs ist der vierte Tag bereits Geschichte. Nur noch eine Etappe. Keine Zeit für Melancholie. Mit der Erholung nach der vorletzten Teilstrecke beginnt die Vorbereitung auf den nächsten Abschnitt, die finalen Kilometer von morgen.
Ein guter Vormittag. Erneut. Wir sitzen auf dem warmen Strassenbelag und warten. Auf den nächsten Zieleinlauf oder den rettenden Sprung an den Rand, sobald eines der unnachgiebig, sich den Berg hinaufschleppenden Himalaya tauglichen Fahrgerätschaften nähert. Das kann ein stark dieselqualmender Bus, ein alter rostiger Land Rover oder ein schnieker weisser Touristen Van eines japanischen Anbieters sein.
Wir warten weiter. Auf unseren Bus. Oder besser: bis der letzte Teilnehmer die Etappe beendet hat. Jeder Einzelne wird dabei mit tosendem Applaus gefeiert. Danach geht es zurück zu Tenzing. Und zu seiner heissen Schokolade.
Damit keine Langeweile aufkommt, hat der Veranstalter für heute eine Folkloreband engagiert. Nepalesisch-indisch-himalayisch oder wie auch immer dieses Gedudel im Gleichklang aus uns unbekannten Blechinstrumenten bezeichnet wird. Mr. Pandey ist auch immer für Überraschungen gut: Jeder Teilnehmer wird aufgefordert, Tänze, Gesang oder sonst irgendetwas aus seiner Heimat vorzutragen. Er spart sich damit nicht nur die Ausgaben für eine Tanzgruppe, nein, er schafft es tatsächlich, dass am Ende alle wild zu halbtonlosen Rhythmen über den Rasen hüpfen.
Fast erschöpfter als vom Laufen stürzen wir uns auf Linsen, Reis, gebratene Nudeln und was das Buffet heute sonst noch Feines hergibt. Und sind pünktlich zur Tagesschau Sendezeit in der Koje. Kann das Leben schöner sein?
- Etappe Palmajua – Maneybhanjang
Grande Finale
Es ist noch dunkel, als wir in der kleinen Gaststube unseres fast Schweizer Gasthauses bei Toast, Marmelade, Porridge und Tee den Tag beginnen. Am gegenüberliegenden Hang leuchten punktuell einzelne Häuser auf. Die Bewohner hier in den Bergen beginnen ihren Tag früh. Das Sonnenlicht wird vollends ausgenutzt.
Bei der Abfahrt mit dem Bus, diesem knapp dreissig Plätze bietenden klapprigen, indischen Vehikel mit einer Mängelliste, die weit entfernt von Verkehrstauglichkeit ist, schläft die Stadt noch. Einzig ein Hund will spielen. Er darf unsere Aufmerksamkeit aber nicht lange geniessen. Über die gleiche Strasse, die wir gestern am Morgen gerannt und am Nachmittag mit dem Bus zurückgekehrt sind, geht es zum Start. Eine Stunde Anfahrt. Für eine Schrecksekunde sorgt der Fahrer, als er in einer Kehre ein Hinterrad neben der Strasse platziert. Der Bus sackt kurz ab, fängt sich aber im selben Moment wieder.
Und genau in diesem Nirgendwo, in dem wir gestern die Zielbanner kreuzten, erfolgt heute der Start. Die Ansage ist einfach: 10 Kilometer bergan und 17 Kilometer bergab. Alles schön gleichmässig vom Höhenprofil her. Auf Asphalt.
Was bewegt meinen Kopf? Oder: was ist mein Ziel für heute? Rennen. Einfach mal einen Tag, eine Etappe bei diesem Event unter Vollgas flitzen. Alles geben. Den Körper spüren. Auch leiden. An Grenzen gehen ist immer ein schwieriger Begriff. Unsere Grenzen sind so weit von dem gefühlten Zustand, an sie zu stossen entfernt. Ich will mich fordern. Die Beine sollen brennen. Leben erwecken.
Und so getrimmt jage ich durch den tiefen Wald Darjeelings diese unscheinbare Nebenstrasse hinauf. Noch nicht am Anschlag. Ich kann den Puls an den Schläfen hämmernd spüren. Heute bleibt das Handy im Rucksack. Fotos habe ich genügt von den vergangenen Tagen. Und doch jagen mir Gedanken durch den Sinn. Während ich dieses fantastische Abenteuer bereits vor seinem Ende Revue passieren lassen, lege ich mir ein Konstrukt für eine Dankesrede zurecht. Bis zur abschliessenden Zeremonie am Abend muss sie dann nur noch verfeinert werden.
Insekten surren laut im Morgenlicht. Der Wald lebt. Und ich auch. Ich fühle mich gerade so lebendig. Das Blut schiesst mir durch die Bahnen. Die Sinne sind geschärft. Unser Begleitbus überholt mich. Die Starter über die 100 Kilometer Distanz beginnen ihre Etappe heute erst oben im kleinen Bergdorf Dhotrey und laufen nur die abschliessenden Kilometer downhill. Jubel dringt aus allen Öffnungen und mischt sich mit den brummenden Motorgeräuschen und monotoner Musik aus dem Weltempfänger. Das motiviert zusätzlich.
Nach etwas über einer Stunde bin ich oben. Ein letztes Mal auf 2‘500 Metern. Ein letzter Blick zurück auf den Kanchenjunga. Das Motiv hat sich bereits fest eingebrannt. Auch im Schlaf kann ich die Umrisse dieses Riesen deuten. Dhotrey ist für mich nur ein Checkposten. Mehr nehme ich nicht wahr. Eine Unterschrift auf ein Blatt Papier und weiter geht’s.
Eine wahnwitzige Idee keimt auf. Und wächst schnell heran. Ich könnte versuchen, den schnellsten Läufer der 100 Kilometer Kategorie einzuholen. Wie lange sind sie schon unterwegs? Keine Ahnung. Wie weit ist er vor mir? Keine Ahnung. Das Hirn schaltet jetzt ab. Wie angestochen rase ich die Strasse hinunter. Beim Überholen der hinteren Läufer rufe ich jedem eine kurze Motivationsfloskel zu. Keine Zeit für Selfies heute. Ich bin auf einer Mission!
Ich habe die überholten Teilnehmer nicht gezählt. Und weiss auch nicht einmal, wer Zweiter im Ranking ist. Im Kopf überschlagen sich die Zahlen. Wenn ich einen Schnitt von um die 4.30 Minuten pro Kilometer laufe, schaffe ich es gar noch, unter zwanzig Stunden als Gesamtzeit zu bleiben. Ja, ich weiss, ohne all die Fotostopps wäre ich auch darunter. Das ist mir in diesem Moment egal. So ein Tempo bin ich schon lange nicht mehr über eine längere Dauer gerannt.
Je näher ich dem Ziel komme, realisiere ich, dass mein Vorhaben für mich zu hoch gesteckt ist. So viel ich auch Zahlen wälze, ich werde die magische Stundengrenze um zwei Minuten verpassen. Das ist mir etwa fünf Kilometer vor dem Ziel bereits bewusst. Und doch pusche ich hart. Es macht Laune. An einem Checkposten reisse ich dem verantwortlichen Zeitnehmer den Kugelschreiber aus der Hand. Es gibt keine Sekunde zu verschenken.
Eine ungewisse Grösse ist die Distanz. In den vergangenen Tagen entsprach die ausgeschriebene Strecke nie der tatsächlichen. Ich darf nicht über 2.44 Stunden unterwegs sein. Dann läge ich exakt bei zwanzig Stunden.
Kurz vor dem Zielort Maneybhanjang applaudieren Strassenbauarbeiter. Die ersten Häuser tauchen auf. Wie weit ist es noch bis zur Ziellinie? Zwei Autos haben sich so in den engen Strassen verkeilt, dass es auch für mich kein Durchkommen gibt. Ich trommele an die Blechkarossen und drücke mich zwischen ihnen durch. Einer der Organisatoren kommt mir entgegengerannt und deutet mit wild fuchtelnden Handbewegungen darauf hin, dass es nicht mehr weit ist bis zur Ziellinie. Eine Spalier aus uniformierten Schulkindern winkt mir brav mit kleinen, indischen Flaggen entgegen. Und da ist es: das Zielbanner mit der Aufschrift „Himalayan 100 Mile Stage Race“. Voller Schwung reisse ich das Teil beim Überqueren der Ziellinie mit mir.
Völlig ausser Atem nehme ich Glückwünsche entgegen. Eines der Schulkinder hängt mir einen farbenfrohen Gebetsschal über. Die Endorphine tanzen eifrig auf und ab. Lachen. Weinen. Erst einmal Luft holen. Was soll ich als erstes machen?
Tejinder, der starke Sieger der 100 Kilometer Wertung kommt auf mich zu. Zufrieden lachend scherzt er: er hat mich atmen hören, meine Schritte wahrgenommen. Das hat ihn umso mehr angetrieben. Am Ende war er fünfzehn Minuten vor mir im Ziel.
Und was ist aus meiner Zielzeit von zwanzig Stunden geworden? 20.02 Stunden steht in der Ergebnisliste. Ich habe diese runde Nummer tatsächlich um zwei Minuten verpasst. Was sagt aber schon eine Zahl über das Erlebte der vergangenen Tage aus. Ich bereue keine Sekunde, die ich unterwegs angehalten und mit Menschen geschwatzt, bereitwillig für Fotos posiert und auch unzählige eigene Aufnahmen für die Datenbank und diesen Bericht hier gemacht habe. Ich habe das Abenteuer im Himalaya gesucht und beim Himalayan Stage Race gefunden.
Am Ende steht mein erster Sieg bei einem Etappenlauf zu Buche. Nach einem dritten Platz 2018 in der Wüste Gujarat’s und einem zweiten Platz in Rajasthan 2019, nun also das oberste Treppchen in Darjeeling. Indien ist einfach immer für Überraschungen gut. Ich feiere den Erfolg bei einem Kopfstand auf der Ziellinie und inmitten der Schulkinder wenig später im Gemeindehaus.
Immer mehr Teilnehmer treffen ein. Alle, ohne Ausnahme mit einem breiten Lachen der Zufriedenheit auf dem Gesicht. Hier, in den Strassen von Maneybhanjang, wo dieser Flirt mit der wilden Natur des Himalaya vor fünf Tagen begann, endet das Erlebnis. Egal ob zehn Jahre oder 81, glückselig liegen sich alle in den Armen. Und das never ending Ritual, das uns schon die gesamte Woche begleitete, will auch heute kein Ende nehmen: Fotos, Fotos, Fotos.
Eine kleine Gruppe von 28 Teilnehmern und gefühlt die doppelte Zahl an Helfern und Betreuern sitzen am frühen Abend im Seminarraum im Gästehaus in Mirik. Genau wie vor einer Woche. Und genau wie auch die Eröffnung wird die heutige Zeremonie den Zweistundenrahmen sprengen. Medaillen, Pokale, spezielle Würdigungen. Wie auch jeder Laufkilometer gehört diese Prozedur dazu. Und jeder einzelne Teilnehmer bekam die Möglichkeit, seine Eindrücke in ein paar Worten zusammenzufassen.
Dankesrede
Während der zweistündigen Rückfahrt im Rüttelbus blieb mir ausreichend Zeit, um an dem Redegerüst zu feilen, was ich mir auf den abschliessenden Laufkilometern zurechtgelegt habe:
Here we are. End of a journey. I am not sure what you think when you are hours and hours out there. For me, I had a movie in my mind. We are all part of a shooting. For a new upcoming blockbuster.
That needs lot of people behind the scenes. Volunteers, doctors, course markers, drivers, awesome hosts at the guest houses, helping hands at aid stations and many more. A special mention goes to the course markers. My extraordinary skill in a multiday race is getting lost. Here, they gave me no chance. Even when I tried hard to not follow the arrows. They were there. Always. And I didn’t miss a single one. Thanks to everyone making that great race happen!
And than we have a another important group of people for a movie. That’s all of you. You may see me as a runner. At the end of the day we are all same. As soon as we put running shoes on. Equal. Humans. Doesn’t matter nationality, lifestyle, language, religion or even age. See Brigitta and Helmut. You all keep that up and move your body. Everyone of us is chasing his own goals, has his own dreams. And pushing his own limits.
A movie needs another person. The person that put that puzzle parts together. A directeur. Or producer. That is the part of Mr Pandey. He created a special race many years ago. In an amazing scenery. And built it up to a mark on the worlwide ultra running calender. But as a boss he has not only communicate nice things. Or do you all like a wake up at 4am or several hours bus ride on bumpy Himalaya roads ? That is also part of the adventure. Of our movie. Don’t worry, Mr Pandey, we only keep all the great awesome moments in our mind. Thank you for that unforgetable week!
So now. That movie will not be delivered to your mailbox. You have to create your own out of last week. For some it will be a nature documentary, for others a comedy. Or maybe a clip about life changing inspiration. When I think about the bus rides or the dancing last night, it could be a musical. And for other it seems like a horror movie or a love story. A wide range. It’s up to you, how to look at it. And when you go out for a run in future or even when it is a bit harder in life, reload the movie from your brain and smile. Happy. Satisfied. As I will do!
Ach ja, das Klassentreffen
Wie eingangs erwähnt, habe ich aufgrund des Covid Infekts mein Klassentreffen sausen lassen. Manchmal hält das Leben verblüffende Begebenheiten bereit. Auf dem Rückweg verabrede ich mich in einem Hotel am Flughafen in Delhi mit einem alten Laufkumpel aus Indien. Er wusste, dass ich am Stage Race war und schlug kurzerhand ein Treffen vor. Wie hat er erfahren, dass ich grad Zeit in Indien verbringe? Tejinder, der 100 Kilometer Sieger hat ein Foto mit mir in der WhatsApp Gruppe unter ehemaligen Klassenkameraden geteilt. Darunter ist auch mein alter Laufkumpel. Als ich dann in der Hotelbar zur vereinbarten Zeit eintreffe, stellt er mir zwei andere indische Reisende vor. Beide auf dem Weg zurück in ihre Wahlheimat, einer nach London, der andere nach Kanada.
Und dreimal dürft ihr raten? Ja, beides Klassenkameraden derselben Klasse. Das war nicht geplant, die drei Jungs sind willkürlich ineinandergelaufen. Kurzerhand werden telefonisch noch andere Mitschüler kontaktiert und schon bald sitze ich in einer Gruppe älterer Herren, die sich teils seit 30 Jahren nicht mehr gesehen haben. Tejinder wird per Videochat hinzugeschaltet. Geschichten. Gelächter, das ein oder andere Getränk. Meine verpasste Klassenzusammenkunft wurde somit einfach räumlich und zeitlich verlegt. Lustiger Zufall, bei 1,6 Milliarden Einwohnern des Landes.
Resümee
Was bleibt vom Himalayan Stage Race in Erinnerung? Neben den atemberaubenden Ausblicken, nicht nur der absoluten Höhe geschuldet, auch diese lässige, aber nicht fahrlässige indische Organisationskunst. Nichts ist in Stein gemeisselt. Es bedarf einer gewissen Lockerheit im Umgang damit. Mit unserem westlichen Denken kommt man da nicht allzuweit. Man bricht aber auch nicht in eine ferne Welt auf, um die gleichen Erfahrungen wie zu Hause zu machen.
Ein weiterer hervorzuhebender Punkt ist der Respekt untereinander. Egal, welchen Leistungsanspruch ein jeder für diesen Event für sich gesetzt hat, Olympiasieger oder Weltmeister wird hier keiner von uns. Mit dem Gedanken lässt es sich gut leben. Ob jetzt mehr oder weniger Zeit für Fotos oder Small Talk am Wegesrand verplempert wird, es sind nicht die zwei Minuten, die am Ende entscheiden. Begegnungen, gemeinsam Erlebtes, Zufriedenheit und einfach nur Sein prägen die Aufzeichnungen im Oberstübchen. Dafür lohnt es, eingetretene Wege zu verlassen.
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