Mit dem Konzept «Morgenlaufrunde in…» präsentieren wir Städte und Gegenden, die früh morgens bereit sind für einen lockeren Lauf. Das sind doch alle Orte? Ja, aber nicht überall kann man zusätzlich zum Laufen auch Interessantes über Geschichte, Kultur, Land und Leute aufsaugen. Im Vorbeirennen sozusagen. Die Distanzen bewegen sich zwischen 10 und 15 Kilometern. Tempo und ein Fokus auf der Lauf Uhr sind dabei nicht gefragt. Eine Kamera und ein wacher (oder langsam aufwachender) Geist dann schon eher.
Morgenlaufrunde in… Kuala Lumpur
Seit anfangs Mai 2022 ist Malaysia nach den Covid Einschränkungen ohne Test oder sonstige Auflagen einfach zu bereisen. Ein Grund, nach über zwei Jahren endlich wieder einmal Asien zu erkunden. Die Sehnsucht nach der pulsierenden, aufstrebenden Welt, nach authentischem Street Food und der herzlichen Gastfreundschaft waren weitere Argumente, diesem südostasiatischen Land zum wiederholten Male einen Besuch abzustatten. Kuala Lumpur als Hauptstadt und sich ständig im Wandel befindlicher Metropole sollte den Ausgangspunkt bilden. Mit der ursprünglichen Bedeutung des Namens, schlammige Flussmündung, hat die am stärksten wachsende Stadt Südostasien nichts mehr gemeinsam. Im Stadtzentrum türmen sich immer mehr und immer schneller emporschiessende Wolkenkratzer auf. Es gibt in KL, wie die Stadt von ihren Bewohnern kurz genannt wird, aber auch die grünen, ursprünglichen Ecken. Was bietet sich also besser an als eine Zeitreise vom Dschungel in die Zukunft. Das ist in KL während einer Stunde Morgenlauf gut realisierbar.
Im Urwald fängt alles an. Wir starten am Eingangstor zum Stadturwald Taman Tugu. Erreichbar mit dem Taxi, einem Grab Car oder einem Mietwagen. Der artengeschützte Bereich inmitten des Grossstadtlärms umfasst eine Fläche von knapp 40 Fussballfeldern. Das klingt nicht nach einem riesigem Naturparadies. Ist aber doch genug für einen Singletrail über 3,5km. Und die Augen erfreuen sich über das üppige Grün in der ansonsten verbauten Hauptstadt Malaysias. Während die gesamte Landesfläche aus zirka 60 Prozent Regenwald besteht, wachsen im Grossraum KL die Betonbauten rasant empor.
Über den Eingang zum Taman Tugu, links vor der offiziellen Einfahrt zum Parkplatz, gelangen wir direkt über einen flowigen Single Trail in den hügeligen Park. Auf und ab, über Treppenstufen, Wurzeln, entlang an Flussläufen. Ab und an locken Schaukeln am Wegesrand zur Rast. Dafür ist es aber am Beginn unserer Morgenrunde noch zu früh. Der Park öffnet um 7.00 Uhr seine Türen und schliesst am Abend um 18.30 Uhr. Sonntags sollte man einen Besuch meiden. Dann ist sehr früh morgens bereits viel los. Einheimische Wanderer, Läufer und Naturfreunde zieht es in den Taman Tugu.
Fauna darf man nicht allzu viel erwarten. Vögel verstecken sich in den Baumwipfeln und singen ihre fröhlichen Lieder. Es raschelt hier und da in den herabhängenden Blättern in Bodennähe. Wer mit offenen Augen und Ohren unterwegs ist, entdeckt den ein oder anderen Gecko. Von kleinen Exemplaren bis hin zu 40 Zentimeter Echsen leben hier. Verirrte Hähne krähen zum Morgenappell, vermutlich geflüchtet vor dem Suppentopf. Die echten Regenwaldbewohner lassen sich nicht auf ein Leben in der Grossstadt ein. Gegen Ende des Trails geht es nochmals steil bergauf. Dabei wird rasch klar: Schwitzen geht früh am Morgen bereits im Stehen. Im eng bewachsenen Park geht kaum ein Lüftchen. Zeit, den Ausflug in die Ursprünge der malaysischen Halbinsel zu beenden.
Wieder draussen auf einem kurzen Zubringerstück auf Asphalt lässt sich immer noch keine Stadt erkennen. Also nicht mit den Augen, wohl aber akustisch. Baulärm, Helikopter, Sirenen, Fahrzeuglärm dringen in die grüne Lunge der Stadt ein. Nach ein paar hundert Metern taucht rechterhand ein unübersehbares Kriegerdenkmal auf. Und schon bald darauf bringt uns dieses kurze Stück Verbindungsstrasse zum Eingang des Perdana Botanical Gardens.
Der grösste und älteste Stadtpark (seit 1888) wird von den Einwohnern sehr geschätzt. Wer den verstopften Strassen entfliehen will, dreht hier seine Runden. Gemütlich spazierend mit Sonnenschirm oder gehetzt in Laufschuhen. Oder jetzt in der aufsteigenden Morgensonne bei Yogaübungen auf den weitläufigen Grünflächen. Neben Orchideen, einem Hibiskus Garten, dem Schmetterlings- und Vogelmuseum, ist hier auch das Planetarium der Stadt beheimatet. Im gemütlichen Laufschritt kommt man bei der kurzweiligen Runde um den Tasik Perdana, dem gleichnamigen See, leicht mit den lokalen Läufern ins Gespräch. Die Einwohner Malaysias sind sportaffin. Golf ist der Sport, den viele junge anstreben. Aber auch Trendsportarten wie Triathlon oder Trail Laufen sind In. Trail Wettkämpfe wie der TMBT auf Borneo (100km) oder der Penang 100 sind mit knapp 2000 Startern jeweils gut besucht.
Übergang zur Frühzeit der Stadt. Zurück nach KL. Über einen nordöstlichen Ausgang verlassen wir den Perdana Garden. Entlang der Jalan Parlimen cruisen wir auf einem Trampelpfad und erreichen nach etwas mehr als einem Kilometer einen historisch wichtigen Punkt der Stadt, den Merdeka Square. Zuerst muss eine Leitplanke und eine vielbefahrene vierspurige Strasse überquert werden. Also nur, wenn man den Fussgängerüberweg verpasst hat… Koloniale Gebäude bilden einen Kontrast zu den Wolkenkratzern im Hintergrund. Ich liebe Kuala Lumpur: eine Grossstadt und doch sehr kompakt.
Der Dataran Merdeka, malaysisch für Unabhängigkeitsplatz, ist Zeuge der ersten Stunden Kuala Lumpurs. 1880 liess sich die britische Kolonialmacht mit ihren Regierungsgebäuden hier nieder. Ein paar Jahre später folgte der Selangor Club Padang, inklusive der grossen Wiese für die Cricketspiele. Diese ersten Bauten haben sich bis heute gehalten. Dazugekommen ist dann 1957 der höchste Fahnenmast der Welt, an dem im Zuge der Unabhängigkeit die Flagge Malaysias gehisst wurde.
Überhaupt hat Malaysia einen Hang zu Rekorden: die Petronas Towers waren das höchste Gebäude der Welt, das grösste Hotel weltweit mit 7351 Zimmern befindet sich in den Genting Highlands, die längste Parade von 158 Food Trucks fand 2018 in Penang statt uvm. Hier auf diesem Platz wird das nicht nur mit dem überdimensionierten Fahnenmast deutlich. Hinter dem 1907 im Mix aus Kolonialstil mit orientalischen Elementen gebauten Sultan Abdul Samad Building türmen sich die Wolkenkratzer auf. Der Bauboom in KL nimmt kein Ende. Höher, schneller, weiter. Das neuste höchste Gebäude der Stadt, der Merdeka PNB 118 ist kurz vor Fertigstellung. Ein Bürokoloss mit 118 Stockwerken. Er wird mit seinen 678,9 Metern nach dem Burj Khalifa in Dubai das zweithöchste Gebäude der Welt sein.
Gebaut wird in der Stadt Tag und Nacht. Auch jetzt, am frühen Morgen ist der Lärm aus allen Richtungen omnipräsent. Dabei sind die Einwohner der Stadt so gar keine Frühaufsteher. Während in anderen Ländern Südostasiens mit dem Sonnenaufgang der Tag und das geschäftige Treiben auf den Strassen Fahrt aufnimmt, geht es in Kuala Lumpur gemütlich zu. Gut für uns, sind doch die Strassen und Gassen um diese Uhrzeit noch nicht verstopft.
Die Hitze ist morgens bereits brutal. Es wird Zeit für eine Erfrischung. Irgendwo in der Nähe der alten Eisenbahnstation, ein weiteres beeindruckendes Bauwerk der britischen Kolonialmacht, wartet eine Kokosnussverkäuferin auf Kunden. Da gibt es kein Vorbeikommen. Der erfrischende Genuss des süssen, nussigen, mit etwas Säure und teils seifig den Gaumen kitzelnden Fruchtsafts ist genau der richtige Booster. So gestärkt, verfliegen die nächsten Meter entlang des Klang Rivers.
Und schon stehen wir in Chinatown. Das chinesische Quartier in Kuala Lumpur ist nicht riesig, aber doch einen Besuch wert. Während es später in den Gassen von Menschen wimmelt und die Duftfahnen aus den Garküchen die Geruchssinne provozieren, herrscht morgens noch gähnende Leere. Also ab durch den Eingangsboden der Pedaling Street und weiter im Laufschritt.
Moderne Wirtschaftsmetropole. So langsam nähern wir uns dem eigentlichen Zentrum der Stadt. Wenn man von einem Zentrum sprechen kann. Für die Bewohner gibt es die unterschiedlichsten Ballungsräume innerhalb der Metropole. Was wir Touristen als Zentrum betrachten, die Gegend um Bukit Bintang, wird von ihnen oft gemieden. Hier reihen sich die Designershops und Shopping Malls aneinander. Sämtliche internationalen Marken sind mit ihren Stores vertreten. Alles ein wenig eingeengt und verbaut. Vor 20 Jahren war die Jalan Bukit Bintang noch eine Prachtstrasse mit Cafés und Street Food Ständen. Die mussten in die Seitengassen ausweichen. Auf dem ehemaligen Prachtboulevard dominiert eine Mischung aus Beton und Glas. In schwindelerregender Höhe aufgebaut.
Das ist aber auch genau der Reiz, den Kuala Lumpur versprüht. In wenigen Minuten kann man die Zeitreise durch die noch junge Geschichte der Stadt machen. Wir sind fast am Ende unserer Laufrunde angekommen. Nach einer Stunde rennen wir zwischen den Hochhäusern hindurch und finden den Eingang zum KLCC Park. Einer grünen Oase inmitten von Bürotürmen, Hotels und Wohnhochhäusern, die direkt am Fusse der Petronas Twin Towers angelegt wurde. Der Park ist nicht übermässig gross. Und doch gross genug, um eine Tartanbahn mit einer Laufrunde über 1.3km anzulegen. Auf dem roten Untergrund versammeln sich allmorgendlich diejenigen Läufer, die in den anliegenden Bezirken wohnen. Drehen ihre Runden ob im Laufschritt oder wandernd. Stoppen immer wieder an den Trinkbrunnen. Auch Toiletten gehören zur Infrastruktur der Laufrunde. Alles sehr gepflegt. Wir laufen im Schatten uralter riesiger Gummibäume und Palmen. Und denken zurück an den Beginn dieser Morgenlaufrunde.
In etwas über einer Stunde sind die unterschiedlichsten Eindrücke auf uns eingeprasselt: Vogelgezwitscher, Baulärm; knackende Äste im Stadturwald, hupende Autos; müde Gesichter, lächelnde Läufer; alte Kolonialbauten, moderne Architektur; Single Trails, vielbefahrene Strassen. Eine Vielfalt, die noch sehr lange in uns arbeitet.
Viel Spass beim Nachlaufen!
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Mehr Informationen zu Kuala Lumpur und Malaysia als Reiseland gibt es auf der Seite von Malaysia Travel, dem offiziellen Tourismusportal.
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