sport. adventure. travel. Das Thema von ACTREME. Endlich ist es wieder mal soweit. Gemeinsam mit Thomas bin ich nach kurzer Planung unterwegs zum Flughafen. Ein grauer Oktobertag 2020. Am Airport herrscht gespenstige Stille. Wir haben es geschafft und sind am Gate!!! Nach der Flugabsage gestern, ein Lichtblick am regenverhangenen Himmel über Zürich.
Wohin geht die Reise? Dem Gesichtsschutz nach zu urteilen irgendwo ins All. Tatsächlich bringt uns der für 20 Passagiere etwas überdimensionierte Flieger über Doha zum Kilimanjaro Airport. Welche Abenteuer warten am höchsten Berg Afrikas auf uns?
Anreise in Covid-19 Zeiten. Wie fliegt es sich eigentlich momentan so? Diese Frage haben wir uns natürlich vor der Reise nach Tansania auch gestellt. Und nachdem der ursprünglich geplante Flug am Vortag abgesagt wurde, sind wir etwas zögerlich in Richtung Flughafen aufgebrochen.
Das erste Segment von Zürich nach Doha flogen wir luxuriös mit ausreichend Abstand. Das liess sich bei 16 Passagieren in einem Airbus A 350 mit Kapazität von 280 (!) Sitzplätzen leicht bewerkstelligen. Die Crew in komplett weisser Schutzhülle mit Brille und Mundschutz kümmert sich bestens um jeden einzelnen Fluggast. Gefühlt war ja auch pro Passagier ein Flugbegleiter zuständig. Beim Essen in gewohnter Qatar Qualität hat es ebenfalls an nichts gefehlt. Die fünfeinhalb Stunden vergingen sprichwörtlich wie im Fluge.
Im Flughafen Doha trafen wir dann auf ein überraschendes Gewusel. Nicht ganz das übliche Aufkommen, aber doch geschäftiges Treiben. Läden, Restaurants und alle Unterhaltungseinrichtungen sind geöffnet. Selbst gegen Mitternacht ist bis auf Maskentragen nicht viel anders als sonst.
Der Flug von Doha nach Dar es Salaam war gut gebucht. Wir hatten eine Dreier-Sitzreihe für uns. Generell wurden die Mittelsitze nicht zwingend freigehalten. Abflug war kurz nach Mitternacht. Während der gesamten Nacht wurde von Snacks über Getränke bis hin zum Flugzeugfrühstück laufend etwas serviert. Wir schätzen die Bemühungen der Crew, allerdings ist an Schlafen so nicht zu denken. Die Pflicht, das Schutzvisier und Maske zu tragen, wird tatsächlich von den meisten eingehalten. Kontrolliert wird das von der Crew nur sporadisch. Richtig übermüdet erreichen wir die Hauptstadt Tansania’s bei Sonnenaufgang.
Nach Ankuft wird das Gesundheitsformular (das sich übrigens nicht gravierend vom normalen Einreiseformular unterscheidet) bei einer netten Dame mit Fieberthermometer abgegeben. 36.2°C. Puhhh. Zum Glück nicht noch etwas eingefangen. Die Visabehörde möchte die USD 50 Einreisegebühr und schon sind wir aus dem Flughafen raus. Ein freundlicher Mitarbeiter hat uns noch darauf hingewiesen, dass wir von nun an keine Maske mehr brauchen. In Tansania besteht keine Tragepflicht.
Vom Inlandsflughafen aus heben wir kurze Zeit später wieder in einer gut besetzten Propellermaschine ab und erreichen nach kurzer Flugdauer den Kilimanjaro Airport. Unterwegs zeigte sich uns der schneebedeckte Gipfel zum ersten Mal.
Wir haben während insgesamt 18 Stunden die neue Form des Reisens getestet. So sehr unterscheidet die sich nicht von der bisherigen. Maske und Schutzschild bei Qatar, andere Regelungen je nach Fluggesellschaft oder Destination. Das sollte uns aber nicht vom Reisen abhalten. Ein bereicherndes Erlebnis ist es nach wie vor. Und: es wird ein Leben nach den Einschränkungen geben. Ganz bestimmt.
Chaffeur Willi hat uns im 4×4 Safarijeep sicher zur Mbahe Farm kutschiert. Gelassen über Stock und Stein. Bei einem kurzen Lockerungsspaziergang durch die Plantagen mit Kaffee, Bananen, Avocados, Tomaten, riesigen Eukalyptusbäume etc. dominiert die Farbe grün. Alles saftig und in voller Pracht, soweit das Auge reicht. Hier oben auf 1800 Metern ü. M. werden wir die kommenden zwei Nächte verbringen und uns akklimatisieren.
Tag der Vorbereitung
Unser Sonntag beginnt um 6.30 Uhr bei einem frisch gerösteten Kaffee, bevor es auf einen kurzen Spaziergang durch die Plantagen am Rande des Kilimanjaro Nationalparks geht. Bei klarem Himmel wollen wir es uns nicht nehmen lassen, den Gipfel aus der Ferne zu bestaunen. Ein atemberaubender Anblick. Dieser freistehende Koloss mit der bezuckerten Schneekuppe beeindruckte bereits vor seiner Erstbesteigung 1889 Abenteurer aus der ganzen Welt. In diesen Tagen ist es ruhig auf den sieben Routen zum Gipfel. Simon Mtuy, Inhaber einer Reiseagentur hat wieder mehr Zeit, sich individuell um seine Gäste zu kümmern. Er sieht das auch als Chance, sich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren.
Simon ist aufgewachsen hier im Mbahe Village am Fusse des Kilimanjaro als eines von zehn Kindern. Er musste schnell Verantwortung übernehmen. Mit dreizehn Jahren begann am Kili als Porter zu arbeiten. So konnte er seine Familie finanziell unterstützen. Wie viele Male er auf dem Gipfel stand, hat er längst aufgehört zu zählen. Bekannt wurde Simon als Rekordhalter für den schnellsten Auf- und Abstieg ohne Support von aussen. Das bedeutet, er hat Verpflegung, Kleidung etc. selbst getragen. Die Zeit von 9.19 Stunden aus dem Jahr 2006 steht nach wie vor in den Rekordbüchern. Für uns Otto-Normalos sind fünf Tage das Minimum. Abgelöst wurde er von Kilian Jornet und dieser widerum von Karl Egloff, die beide allerdings mit externer Unterstützung unterwegs waren. Heute führt er uns voller Stolz durch die Ländereien rund um seine Farm und erklärt uns Besonderheiten des Kilimanjaro Nationalparks.
Es ist wichtig, sich bei solchen Expeditionen auf alle beteiligten Personen verlassen zu können. Ehemalige Gipfelgänger werden den Kilimanjaro als easy Bergtour in Erinnerung haben. Andere schreiben mir, dass sie es nicht bis zum Gipfel geschafft haben. Es bedarf den nötigen Respekt gegenüber allen Besteigungen, speziell hier an Afrika’s höchstem Berg. Von den etwa 200 Tourengängern pro Tag in den vergangenen Jahren erreichten nur etwa 60 Prozent den Uhuru Peak, die höchste Spitze auf 5895 Meter. Verschiedene Faktoren beeinflussen den Aufstieg. Von Trekking-Agenturen gern als Wandertour für jedermann angeboten, ist eine gute Vorbereitung unabdinglich. Die Besteigung wird oft unterschätzt. Es geht auf knapp 6000 Meter. Und da gibt es nichts schönzureden. Die Höhe und der damit verbundene, abnehmende Sauerstoff-Partialdruck sind für uns Menschen limitierend. Wie werden wir mit den unwirtlichen Umständen zurechtkommen? Werden wir das Ziel erreichen? Ab sofort dokumentiert ein täglicher Check unseren Zustand. Sauerstoffgehalt 95 Prozent, Herzfrequenz 55. Alles im Lot.
Was macht diese Reise so speziell? Thomas schätzt die Ruhe und den Abstand zur aktuellen Situation sehr. Wir haben eine Abmachung. Während der gesamten Tour wird nicht über das Thema Corona geredet. News werden nicht aktiv angeschaut. Natürlich kann man sich dem nicht entziehen. Wir werden darauf angesprochen. Entgehen aber längeren Diskussionen. Egal welche Bewältigungsstrategie man verfolgt: etwas Abstand tut gut. Ein echtes Corona Time Out. Für ein paar Tage Flucht aus der Realität. Das ist es doch, was Reisen so toll macht.
Ein weiterer Punkt, der den Zufriedenheitspegel noch etwas mehr anhebt, ist das Essen. Zu den Mahlzeiten werden wir regelrecht verwöhnt. Zum Frühstück geniessen wir frische Früchte, Bananenbrot, Avocados, hausgebackemes Brot, frischen Fruchtsaft und Swahili Omelette. Zum Mittag eine ausgewogene Suppe und ein geschmacksintensiver Salat, Kartoffeln und Gemüse füllen den Magen. Und beim Abendessen vier Gänge mit Reis und Poulet als Hauptkomponente. Ich könnte jetzt stundenlang über das Essen schwärmen. Das beste daran ist: es kommt alles aus dem Garten und von den Feldern rund um das Haus. Angebaut ohne zusätzliche künstliche Wachstumsmittel. Einfach und gut. Und extrem nahrhaft.
Zu uns hat sich Ted, ein Amerikaner gesellt. Er wird mit uns die Tour in Angriff nehmen. Zu seiner Person und was er hier macht, später mehr.
Die Rucksäcke sind gepackt. Es kann losgehen!
Aufbruchstimmung – Tag 1 am Berg. Früh morgens herrscht bereits hektisches Treiben auf der Mbahe Farm. Die Guides und Porter sind damit beschäftigt, das Equipment zu verpacken. Wir nehmen nur die notwendigsten Dinge mit. Während bei anderen Trekkings Zelte, Tische und Stühle, Kocher ja selbst Campingtoiletten mitgeschleppt werden, gönnen wir uns auf der Marangu Route den Luxus von Übernachtungen in Hütten. Dieser Trek trägt auch den Beinamen Coca Cola Route. Sie ist die einfachste und am meisten begangene. Optimal für unsere «Entspannungsreise». Das Ziel ist es, den Gipfel zu erreichen. Auf dem Weg dahin müssen wir nichts beweisen.
Wir verabschieden uns von Simon für ein paar Tage. Nach einem kurzen Zubringerweg durch die fruchtbaren vulkanerdenen Felder stehen wir vor dem Marangu Gate, dem Eingang zur gleichnamigen Route. Die Souvenirshops, Trekkingausstatter und Teestuben rechts und links der Strasse sind gähnend leer. Touristen werden dringend benötigt. Wie in den meisten Teilen der Erde gibt es für die Bevölkerung hier keine Unterstützung durch den Staat. Die letzte Gruppe, die sich Richtung Gipfel aufgemacht hat, passierte den Ort Marangu vor zwei Tagen. Zu normalen Zeiten starten hier jeden Morgen über hundert Abenteuersuchende. Auf uns wirkt die Atmosphäre sehr entspannt. Ruhe, kein Stress bei der Behörde, die mit einem Stempel unseren Zugang zum Nationalpark sichert. Über eine Stunde warten wir, bis die Formalitäten erledigt sind. Die Internetverbindung ist grad schlecht bis inexistent. Aber was ist schon eine Stunde. Die Gelassenheit ist längst auf uns übergeschwappt. Pole, pole.
Noch ein paar Erinnerungsfotos am Eingangstor zum Park und schon sind wir auf dem Weg. Mit uns die beiden Guides Jackson und Manasse. Und Ted, ein 46jähriger Amerikaner aus Idaho. Wie kommt ein Amerikaner nach Tansania? Die Reisesituation über den grossen Teich ist im Moment ja auch nicht die beste. Ted hat uns auf der Farm bereits erwartet. Er ist seit 19 Monaten in der Welt unterwegs. Gestartet in seiner Heimat auf einem Motorrad mit Ziel Ushuaia am südlichsten Ende des amerikanischen Kontinents, hat er das Gefährt Anfang 2020 in Südafrika durch ein Fahrrad ersetzt. Das Motorrad steht in einer Garage in Uruguay. Über den Weg auf dem amerikanischen Kontinent kann er bereits Bände schreiben. Mit dem Rad hat er als Ziel Kairo anvisiert. Nach dem weltweiten Shutdown im Frühjahr 2020 blieb er in Sambia hängen. Für sechs Monate! Während dieser Zeit hat er mittels Spenden aus den USA eine Bibliothek an einer Schule in Livingston aufgebaut. Nebenher schreibt er eine monatliche Kolumne für seine Heimatzeitung. Es gibt sie also noch, die Weltreisenden. Ich bin immer wieder fasziniert von diesen alternativen Lebensmodellen. Wann er nach Hause zurückkehrt, lässt er offen. Von Tansania aus geht es weiter über Kenia gen Norden. Und in Montevideo hat er zur Not noch sein Motorrad stehen.
Unsere heutige Tagesstrecke beträgt neun Kilometer. Auf einfachen, bestens präparierten Wanderwegen durch den Regenwald kommen wir mit kleinen Schritten gut voran. Nur nicht zu schnell an Höhe gewinnen. Total 1000 Höhenmeter Zuwachs sind gut machbar. Herden von Blue Monkeys, eine in Zentralafrika weit verbreitete Art der Primaten, schwingt sich unweit des Weges durch die Baumkronen. Wir enden am Mandara Camp auf 2700 Meter. Die erste Nacht sollte noch keine Kopfschmerzen bereiten. Höhenanpassung der einfachen Art.
Wer von Afrika das Bild eines heissen Kontinents im Kopf hat, war noch nie am Kilimanjaro. Wir befinden uns nur wenige Breitengrade südlich des Äquators. Sobald die Sonne verschwindet, wird es richtiggehend kalt. Zum Wandern optimal, im Camp holen wir Mütze und Handschuhe raus. Im Kegel der Stirnlampe wird bereits der Atem sichtbar.
Die Mandara Hütten sind grösstenteils belegt mit Militärangehörigen, die in der vergangenen Woche bei der Brandbekämpfung im Einsatz waren. Unweit des Camps sehen wir die schwarzen, verkohlten Hänge. Der Brand hat eine Schneise von über 19 Kilometern durch das Moorland gezogen. Das dürre Gras und wechselnde Winde haben die Flammen unberechenbar gemacht. Mittlerweile sind die Brandherde erloschen.
Am Einstiegstag kam niemand an seine Grenzen. Die Guides nehmen immer wieder Tempo raus. Pole, pole. Das Motto wird uns die nächsten Tage noch begleiten.
An den Hängen des Kilimanjaro – Tag 2 am Berg. 6 Uhr. Kein Wecker notwendig. Im Camp sind die ersten Stimmen zu hören. Später am gestrigen Abend erreichte noch eine Gruppe Tansanier indischer Abstammung die Hütten. 26 Trekker aller Alters mit 30 Guides, Porter, Köchen. Diese Gruppenstärke grenzt in den speziellen Zeiten schon fast an eine Völkerwanderung. Das Motto der bunten Truppe für den Gipfel ist «schau mer mal».
Ich entscheide mich für einen kurzen Lauf vor dem Frühstück. Thomas bleibt lieber noch etwas in seinem warmen Schlafsack. Und Ted träumt bereits vom Frühstück. Als ich nach 45 Minuten zurück ins Camp komme, stehen Schüsseln mit warmem Wasser bereits bereit. Die Tage am Berg sind einfach strukturiert. Auf die notwendige Körperhygiene verzichten müssen wir allerdings nicht. Die Infrastruktur auf der Marangu Route ist erstaunlich gut. Einfache Holzhütten mit Doppelstockbetten, Toiletten in gutem Zustand, ein Raum für die Mahlzeiten und Örtlichkeiten für die Crew zum Kochen und Schlafen stehen bereit. Es gibt keine Verpflegung zu kaufen. Jede Gruppe muss dafür ihren eigenen Koch und sämtliche Lebensmittel mitbringen. Das sichert einem grossen Teil der Bevölkerung am Fusse des Kili ein Einkommen.
Unsere Crew setzt sich zusammen aus einem Chefguide, einem Assistenten, einem Koch und vier Portern. Unsere Kleidung macht dabei den geringsten Teil des zu transportierenden Equipments aus. Kochgeschirr, Lebensmittel, Ausrüstung des Teams usw. stellen den wesentlich grösseren dar. Die Guides sind jeweils mit uns unterwegs, während das Team etwas voraus ist. Der Koch ist für mich der wirkliche Held der Crew. Er zaubert auf einer (1) Gasflamme mehrgängige Menus. Abwechslungs- und kohlenhydratreich auf eine Bergbesteigung ausgerichtet.
Mit einem routierenden System sorgt Simon dafür, dass alle seiner etwa 100 als Freelancer Angestellten bei den einzelnen Expeditionen zum Zuge kommen. Somit hat jeder die Chance auf ein Einkommen. In diesem Jahr ist die Situation wie in allen Teilen der Welt eine Besondere. Staatliche Unterstützung bekommt in Tansania niemand aufgrund von Arbeitsausfällen. Bei Krankheit und selbst für Medikamente muss jeder selbst aufkommen. Der Tenor ist jedoch immer gleich. Alle hoffen auf eine baldige Besserung der Situation.
Der Weg führt uns heute über die Baumgrenze. Wir erreichen damit auch die verbrannten Gebiete. Bis vor einer Woche hat hier noch das Feuer gewütet. Schwarz verrusstes Gestrüpp, einzelne holzkohlene Baumstämme und bis auf die Stoppeln niedergebrannte Büsche zeugen von einer heftigen Feuerbrunst. An einigen Stellen qualmt es noch immer aus der Erde. Diese Glutherde werden vom Militär aufgesucht und gelöscht. Bis auf ein paar Chamäleons hat es keine Tiere hier gehalten. Unter den hiesigen klimatischen Bedingungen sollte sich die Fauna und Flora innerhalb sechs bis acht Monaten erholt haben.
Die Sonne wärmt, sobald sie durch die Wolken drückt. Mit zunehmender Tageszeit verdunkelt sich der Himmel. Kurz vor Erreichen des Horombo Camps auf 3700 Meter, beginnt es zu regnen. Mit klammen Kleidern versuchen wir uns in den Holzhütten aufzuwärmen. Auf eine heisse Schokolade müssen wir auch hier nicht verzichten. Das gibt Kraft von innen. Und schon bald steht eine schmackhafte Suppe auf dem Tisch. Die Welt ist doch in Ordnung. Zumindest für den Moment. Alles andere ist weit weg und ausgeblendet. Wir geniessen den Augenblick.
Während vier Stunden haben wir 1000 weitere Höhenmeter erwandert. Sauerstoffwerte von um die 90 Prozent, eine ausgeglichene Herzfrequenz, ausreichende Wasseraufnahme und ein gefühlt guter körperlicher Zustand weisen auf eine solide Höhenanpassung hin. Die Schlafphasen sind mit neun Stunden nachts und einer zusätzlichen Stunde am Nachmittag mehr als ausreichend. Wir sind auf gutem Wege Richtung Gipfel. Ein kurzer Spaziergang zu den 200 Metern höher liegenden Zebrarocks hilft, um die Nacht geruhsam zu verbringen.
In der alpinen Wüste – Tag 3 am Berg. Was für ein Anblick! Nach Regenfällen in der vergangenen Nacht hat der Himmel zum Morgen hin aufgeklart. Vom Bett aus zum Greifen nahe liegt der Mawenzi (5148 Meter), der zweithöchste Berg des Kilimanjaro-Massivs vor uns. In den Höhenlagen jenseits der 4000 Meter ist der Niederschlag als Schnee heruntergekommen. Die weisse Spitze bildet einen perfekten Kontrast zum stahlblauen Himmel.
Wir verlassen das Moorland und erreichen die alpine Wüstenlandschaft. Beim Aufstieg zum Symbol Tansania’s durchlaufen wir fünf Vegetationszonen. Eine weitere Besonderheit am Kilimanjaro. Bei welch anderem Berg erlebt man auf dem Weg zum Gipfel solch eine Vielfalt. Die Zonen im Detail:
Klimazone 1: Farmland
Klimazone 2: Regenwald
Klimazone 3: Heide- und Moorland
Klimazone 4: Alpine Wüste
Klimazone 5: Arktische Zone oder Permafrostzone
Bislang bewegten wir uns im fruchtbaren Weide- und Farmland an den Ausläufern des Bergmassivs. Dann während der ersten Etappe im saftig grünen Regenwald. Und gestern im Moorland mit der typischen Busch- und Graslandschaft. Nun die karge Wüstenlandschaft. Lose Steine, endlose Hochebenen und kühle Winde prägen die Landschaft. Mich erinnerte es an eine Mondlandschaft. Thomas zog Vergleiche zu den unendlichen Weiten in der Wüste Namibia’s. Als Mensch reslisierst du, wie klein du in Wahrheit bist.
Für die kommenden beiden Tage erlischt die moderne Kommunikation. Es gibt sie noch, die Inseln im weltumspannenden Datennetz. So eine Tour erlebt sich besser im Einklang mit der Natur. Das Gehen wird zur meditativen Bewegung. Mit zweieinhalb Kilometern pro Stunde marschieren wir auf gemässigten Anstiegen voran. Gespräche werden seltener und weniger tiefgründig. Jeder versucht Energie zu sparen und in seinen Körper hineinzuhorchen. Wir gehen langsam aber konstant. In der Hochwüste breitet sich vor uns ein autobahnähnlicher, ebener, breiter Weg aus. Die Sichtweite liegt bei 20 Metern. Dichte Wolken haben uns umhüllt. Das typische Bild zur Mittagszeit.
Im Kibo Camp auf 4700 Meter werden wir sofort von zwei weiteren Trekkern begrüsst. Für Vater und Tochter aus Frankreich ist das Abenteuer Kilimanjaro ein eindrückliches Erlebnis. Sie haben auf einer anderen Route das Camp erreicht. Es folgt ein kurzer Smalltalk, wie mit allen anderen, die sich in der kommenden Nacht zum Gipfel aufmachen.
Das Abendessen wird heute bereits um 18 Uhr serviert. Die Nacht wird kurz. Um Mitternacht ist wecken angesagt. Das finale Briefing findet vor dem Nachtessen statt. Details zum Aufstieg aber auch bereits für den kommenden Tag werden besprochen. Ein letzter Check ergibt eine Sauerstoffsättigung von 84 bzw. 82 bei Thomas und Herzfrequenzwerte von 55, bzw. 61. Von Tag zu Tag reagiert der Körper sensibler auf die Höhe. Werden wir die letzte Etappe auf Afrika’s Giganten meistern?
Uhuru Peak – die Nacht des Aufstiegs. Kurzes Erwachen. Der Blick zur Uhr. Ist es bereits Zeit zum Aufstehen? 21.30 Uhr. Im Nebenzimmer werden bereits Möbel gerückt. Stimmen dringen durch die dünne Bretterwand. Die ersten Aufgeregten machen sich für den Aufstieg bereit. Wir starten erst um 0.30 Uhr. Die kommenden Stunden werden lang. An Schlaf ist nun nicht mehr zu denken. Eine innere Unruhe tut das Notwendige dazu. Fühlt sich ein wenig an wie vor einem grossen Wettkampf. Noch zwei Stunden dösend im Schlafsack wälzen.
Mitternacht. Zeit für Porridge und Kaffee. Nebenbei anziehen und nochmal Equipment checken. Jeder macht sein Ding. Gesprächig ist anders. Das Thermometer zeigt in der Hütte 4 Grad Celsius. Draussen glitzert Eis auf dem Holzgeländer. Sind wir tatsächlich in Afrika?
Pünktlich 0.30 Uhr stehen wir abmarschbereit vor der Baracke. Stirnlampen sind montiert. Mehrere Schichten sollen gegen die steigende Kälte schützen. Etwas ungewöhnlich sind unsere Trailrunning Schuhe. Zwei Paar dicke Socken sollen die Kälte fernhalten. Jeder Berggänger empfiehlt bei so einer Tour Wanderschuhe mit ausreichend Stützung im Fussbereich bis rauf zum Knöchel. Meiner Meinung nach ist das aber nur erforderlich, wenn die Fussstrukturen unzureichend trainiert sind. Mit den weichen Sportschuhen «betrügst» du deinen Körper nicht. Wenn die Füsse entsprechend vorbereitet sind, ist die Wahrnehmung des Untergrunds viel angenehmer. Kennt ihr das Buch «Born to Run»? Die in Sandalen laufenden Tarahumara wurden darin bei einem renommierten Ultralauf für einen Sponsor in Laufschuhe gesteckt. Und mussten das Rennen aufgeben. Unsere Füsse sind geschaffen, um hervorragende Arbeit in Sachen Koordination zu leisten. Natürlich. Ohne Stütze von aussen. Entscheidend ist eine gute Sohle, die auf jedem Terrain einwandfreie Haftung und einen Schutz von unten bietet. Ich habe das hier und da bereits mit Wanderern diskutiert. Die Sportartikelindustrie benötigt natürlich für alles einen Markt. Besser wäre es, am eigenen Körper zu arbeiten. Und gesünder und günstiger noch dazu.
Ein wenig Aufregung steckt in jedem von uns. Es ist immer eine gewisse Portion Ungewissheit bei solch einem Unternehmen. Reichen die drei Tage Anpassung für einen Aufstieg auf knapp 6000 Meter? Wird das Wetter halten? Ich möchte kurz die beiden Sichtweisen der kommenden Stunden separat aufzeigen. Jeder empfindet so ein Erlebnis für sich allein und auf unterschiedliche Art und Weise.
Thomas: Beim Abmarsch bin ich froh, dass es endlich losgeht. Ich habe kaum geschlafen und auch keinen Appetit auf’s Frühstück. Eine innere Spannung ist vorhanden. Werde ich den Gipfel erreichen? Wie reagiert mein Körper auf die Höhe? Der Aufstieg ist ziemlich steil und zum Teil in losem, sandigem Gestein, was zusätzlich Kraft kostet. Der Blick ist immer auf den Boden gerichtet, das Licht der Stirnlampe gibt den nächsten Schritt vor. Die Guides haben uns immer wieder gesagt, dass Kopfschmerzen dazugehören. Genügend trinken soll helfen, damit diese wieder verschwinden. Ich bemühe mich stetig zu trinken, aber das Wasser in den Trinkflaschen ist angefroren und eisiges Wasser bei dieser Kälte ist auch nicht wirklich toll. Permanent horcht man auf das persönliche Empfinden. Jede kleinste Veränderung wird wahrgenommen. Das Gleichgewicht im steilen Gelände macht zu schaffen. Ausfallschritte zur Seite, Rückschritte nach hinten zeigen, dass die Koordination eingeschränkt ist. Mantramässig sage ich mir immer wieder ‚Schritt für Schritt – ein Fuss vor den anderen’. Hände und Füsse sind eiskalt. In den kurzen Pausen versuche ich diese mittels Schwingen der Arme und Beine aufzuwärmen, was zumindest etwas Wirkung zeigt. Der Untergrund wird felsiger und es zeichnet sich ein Grat ab. Endlich! Der Guide bestätigt, dass der Gilman’s Point nicht mehr weit ist. Im Wissen, dass das Gelände dann flacher wird und es nicht mehr weit bis zum Stella Point bzw. Gipfel ist, habe ich das erste Mal das Gefühl, dass ich es schaffen werde. Den letzten Teil des Aufstieges nehme ich wie in einem Film wahr. Ich bin wie in Trance. Stimmen höre ich nur zeitverzögert oder sogar doppelt. Es ist wichtig, sich in einer solchen Phase auf die Risikoeinschätzung erfahrener Guides verlassen zu können.
Maik: Mit der Erfahrung vergangener Himalaya Touren im Gepäck bin ich nach Afrika gereist. Dieser Berg soll besonders sein. Besonders einfach für ein Mitglied der Seven Summits (sieben höchsten Berge auf jedem Kontinent) und besonders schwierig aufgrund seiner Konstellation als freistehender, die umliegende Savanne um 4500 Meter überragender Vulkankegel. Die ersten Schritte fallen nicht schwer. Die Anstiege sind moderat. Die Sauerstoffaufnahme funktioniert bei rund 4800 Meter über dem Meer ausreichend. Das ändert sich nach kurzer Zeit. Wir erreichen einen Steilhang mit losem Geröll. Im Zickzack kämpfen wir uns voran. Im Kegel der Stirnlampe den Blick stets auf die Schuhe des Vorangehenden gerichtet. Orangene Schuhe. Langsames schreiten. Keiner spricht. Wir haben früher gestartete Gruppen bereits überholt. Zu jedem Berggänger gehört mindestens ein Guide oder Porter. Das ist Vorschrift am Kilimanjaro. Aus Sicherheitsgründen. Im Kopf geistern schöne Dinge herum. Mein Körper empfindet anders. Die Atmung fällt schwerer. Meine Fingerspitzen sind taub von der Kälte. Mit einem zweiten Paar Handschuhe versuche ich Abhilfe zu schaffen. Nützt nichts. Ein wenig Hektik breitet sich in mir aus. Habe ich die Kälte unterschätzt? Ich erinnere mich an einen Läuferkollegen, der mir einmal gesagt hat: Kälte ist nur eine Empfindung im Kopf. Wie ich so etwas ausblenden kann, weiss ich. Das wird mich während der ersten vier Stunden beschäftigen. Und dann plötzlich der Griff in meine Tasche. Wo ist mein Handy? Hatte ich es etwa in der Hütte vergessen? Erneut Hektik. Ich durchsuche alle Taschen und den Rucksack. Nichts. Die Guides beschwichtigen mich, dass es beim Abstieg noch dort sein wird. Ich ertappe mich dabei, mich zu verfluchen (Details erspare ich euch…). Stopp. Positiv denken. Ein elektronisches Gerät darf das nicht ändern. Nach viereinhalb Stunden und 980 Höhenmetern erreichen wir den Gilman’s Point. Den ersten Meilenstein. Die kurzen Pausen von wenigen Minuten zwischendurch haben gutgetan. Ein schneller Körperscan bestätigt mir ein gutes Gefühl. Bis auf die steifen Fingerkuppen.
Von hier an geht es gemässigt steil weiter. Das lose Terrain ist felsigem Untergrund gewichen. Wir können den Gipfel am anderen Ende des Kraterrandes bereits erkennen. Es sind noch gut drei Stunden Wanderung. Unsere kleine Gruppe erreicht gemeinsam den Stella Point auf 5739 Meter. Noch 150 Höhenmeter über den steilen runden Bergrücken. Irgendwie zieht sich unser Team auseinander. Immer wieder stehenbleiben und Atempausen. Die Gletscherwelt jenseits des Kibokraters ist überwältigend. Von einem einzigen Gipfel zu sprechen wäre vermessen. Es ist eine wahre Bergoase.
Die Erstbesteiger Hans Meyer aus Leipzig (Sohn des gleichnamigen Weltlexikon Gründers) und sein österreichischer Weggefährte Ludwig Purtscheller erreichten nach mehrmaligen gescheiterten Versuchen am 5. Oktober 1889 den Kibo Gipfel. In der unrühmlichen Zeit der Kolonialisierung Afrikas steckte von nun an für die kommenden 29 Jahre eine deutsche Fahne auf dem verwitterten Lavagipfel in Deutsch-Ostafrika. Mit dem Recht des Erstbesteigers nannte er den Gipfel Kaiser Wilhelm Spitze. Im Anschluss wird 43 Jahre lang die britische Fahne hier oben wehen. Erst mit der Unabhängigkeit Tansanias im Jahre 1961 wird dieses Relikt der Kolonialzeit getilgt. Von nun an heisst der Gipfel Uhuru Peak, die Freiheitsspitze.
Ein ergreifender Moment. Die letzten Schritte durch schroff aufragende Spitzen ewigen Eises. Die Ewigkeit ist allerdings endlich. Grosse Teile des Gipfelplateaus haben den Gletscher bereits hergegeben. Unter uns breitet sich das Wolkenmeer aus. Die Sonne erscheint am östlichen Ende des Horizonts. Der Blick schweift ins Unendliche. Alle Kleidung aus dem Rucksack ist am Körper montiert. Sechs Schichten am Oberkörper, zwei Paar Hosen. Die Temperatur in der Morgensonne liegt bei minus 15 Grad Celsius. Eine leichte Brise liegt in der Luft. Die Glücksgefühle überstrahlen die Kälte. Nach und nach erreichen alle den höchsten Punkt. Wir liegen uns in den Armen. Die Fotosession fällt kurz aus. Die ACTREME Flagge ist gehisst. Nicht zu lange in der bizarren Welt verharren. Symptome wie Kopfschmerzen oder Überkeit bestätigen uns, einen schnellen Abstieg in Angriff zu nehmen. An diesem Morgen erreichen gerade mal 16 Gipfelstürmer den Uhuru Peak. Ein Abenteuer, dass wir so nicht wieder erleben werden. Wie so oft in besonderen Momenten geht der Höhepunkt viel zu schnell vorbei. Die weite Anreise und der Marsch hier herauf und nun ist alles vorbei? Auf keinen Fall! Der Weg ist das Ziel. Mit jedem Schritt gehen wir durch das Abenteuer des Lebens.
Von 5895 auf 1800 Meter in einem Ritt. Die Guides drängen auf Eile. Nicht zu lange auf dem Gipfel verharren. Das schnelle Erklimmen kann sich in Kopfschmerzen auswirken. Und Übelkeit. Und Schwindelgefühl. Und Müdigkeit. Und Appetitlosigkeit. Was? Jetzt haben wir euch die Lust auf so ein Abenteuer genommen? Ganz ehrlich. Für uns Flachländer (alle, die unterhalb 2500 Meter leben) bedarf es jedesmal einer neuen Akklimatisierung. Und eine gute Anpassung dauert drei (!) Wochen. Wir haben uns aber gerade mal drei Tage Zeit genommen. Das war der sportliche und anspruchsvolle Teil des Projekts.
Wie gefährlich ist die sogenannte Höhenkrankheit? Man unterscheidet zwischen der Akuten Mountain Sickness (AMS) und gesteigerten Formen wie High Altitude Pulmonary Edema (HAPE) oder High Altitude Cerebral Edema (HACE). Die oben beschriebenen Symptome können in Höhen ab 2500 Meter auftreten. Erkältungssymptome oder Krankheiten generell und sportliche Aktivität steigern dabei die Intensität. Interessant sind Studien, dass sich anstrengende Trainingseinheiten vor so einer Tour kontraproduktiv auf die körperliche Verfassung in der Höhe auswirken. Also lieber entspannt ans nächste Hochgebirgsabenteuer gehen.
Hier oben verabschieden wir uns von Ted. Mit ihm bleiben neben zwei Guides auch unzählige «amazing», «awesome» und «crazy guys» zurück. Er wird sich eher langsam an den Abstieg machen. Wir haben andere Pläne. Manase, unser Guide bleibt als einziger Verbleibender aus dem Team bei uns. Mit ihm bin ich vor einigen Jahren bereits um den Kilimanjaro gerannt. Beim jährlich stattfindenden Kilimanjaro Stage Run, einem 280 Kilometer Etappenlauf ist er als Guide dabei. Wir haben ihn bewusst für diese Tour angefragt. So schnell wie möglich runter ist unsere Idee. Nicht nur runter bis zur nächsten Hütte. Nein, den ganzen Weg zurück bis zum Marangu Gate auf 1800 Meter.
Wird es möglich sein, nach dem kräftezehrenden Aufstieg ohne echten Schlaf jetzt noch 4000 Höhenmeter negativ zu bewältigen? Es ist eine mentale Challenge.
Im Tageslicht sehen wir nun auch die steile Halde losen Gesteins, in der wir in der Nacht Stunden verbracht haben. Anstatt die ausgetretenen Serpentinen zu nehmen, stürzen wir uns schnellen Schrittes in direkter Falllinie im weichen Sand bergab. Fühlt sich an wie Tiefschneefahren. Die Balance liegt auf dem Schuhabsatz und mit den Trekkingstöcken wird hier und da mal etwas ausgeglichen. So kommen wir unglaublich schnell voran. Achtung geben muss man einzig bei den durch das lose Geröll aufragengenden, festen Vulkansteinen. Hängenbleiben und ein daraus resultierender Sturz wäre fatal.
Nach zwei Stunden sind wir bereits wieder an den Kibo Huts. Allein. Es ist wie ausgestorben. Alle anderen sind noch am Berg. Ich finde mein Handy unter dem Kopfkissen. Unversehrt. Hier kommt doch nichts weg. Wir versuchen, etwas zu essen. Die Müdigkeit übermannt uns. Nur kurz eine Mütze voll Schlaf. Die Verlockung der Betten ist zu gross. Wir schlafen ein. Irgendwann höre ich eine Stimme. Jemand spricht zu mir. Manase. Er weckt mich auf und überzeugt uns weiterzugehen, wollen wir das Gate heute noch erreichen. Es ist jetzt 10.30 Uhr am Vormittag.
Auf entgegengesetzter Strecke der vergangenen drei Tage verlieren wir mittels Run & Hike schnell an Höhe. Wir erkennen viele Wegpunkte wieder. So oft möglich, gehen wir in einen Laufschritt über. Das wird mit zunehmender Tageszeit und Erschöpfung immer schwieriger. Der Körper ist ausgelaugt. Wir erreichen das Gate gegen 17 Uhr. Gesamt sind wir 16,5 Stunden unterwegs. 7 Kilometer Aufstieg und 35 Kilometer Rückweg. 1200 Höhenmeter aufwärts und 4000 abwärts. Eine Marathondistanz in Ultrazeit. Eine lange Reise. Vor allem in den eigenen Körper und Geist. Eine Herausforderung, der wir uns gestellt haben und keinen Meter davon missen möchten. Ein Hammer Erlebnis.
Danke an alle, die daran beteiligt waren. Simon und seine Trekkingagentur S.E.N.E., Jackson und Manase, Robson und das ganze Support-Team, den Mitarbeitern der Mbahe Farm für die tolle Gastfreundschaft, KS-SPORTSWORLD für die top Vorbereitung und vielen mehr.
Fazit Kili Tour 2020. Während ihr das lest, sitzen wir bereits im Flieger auf dem Rückweg. Zwölf Tage Abenteuer. Zwölf Tage annähernd Normalität. Zwölf Tage Abstand. Jeder geht mit der Situation anders um. Und jeder steht in einem anderen Kontext dazu. Unser Thema ist und bleibt das Reisen. Es war eine gute Möglichkeit, sich von einer neuen Form der Beweglichkeit ein Bild zu machen. Und davon, wie Menschen in einem fernen Land damit umgehen. Das ist wohl die wichtigste Erkenntnis: wir können uns einigeln und in sehr kleinen Räumen denken. Am Ende leben wir aber alle im selben Haus.
Ein paar Worte zur Kilimanjaro Besteigung. Wir hatten die Gelegenheit, uns in Moshi mit dem irischen Prof. William Howlett auszutauschen. Er arbeitet und lehrt seit 1982 hier am KCMC Hospital, dem grössten medizinischem Zentrum mit 1300 Angestellten. Interessant waren seine Studien zum Kilimanjaro. Er erläuterte uns recht eindrücklich, warum der höchste Berg Afrikas so oft unterschätzt wird. In den vergangenen Jahren versuchten sich bis zu 60’000 Menschen (jährlich!) am Berg. Die Zahlen steigen. Nur etwa 60 Prozent erreichen den Gipfel. Eine für uns erschreckende Zahl: einer von 3500 überlebt den Berg nicht.
Und es könnte noch viel schlimmer sein. Glücklicherweise konnte sich noch kein Investor durchsetzen, die heutigen einfach strukturierten Camps via Zugangsstrasse oder mit modernen Übernachtungs- und Unterhaltungsbetrieben auszustatten. Ein paar Tage Fussmarsch zur Akklimatisierung muss somit jeder durchlaufen. Und jeder Tag mehr bedeutet zusätzliches Naturerlebnis. Mit unserem geringen Zeitfenster sind wir ein erhöhtes Risiko eingegangen. Das war uns bewusst. Für solche Experimente sind wir stets zu haben. Das soll aber nicht als allgemeintauglich gelten. Für eine erfolgreiche Besteigung würden wir je nach Route mindestens sechs bis sieben Trekkingtage empfehlen.
Es gibt noch viel zu verarbeiten von diesem Trip. Die Begegnungen mit den Menschen sind sicher die bleibenden. Zuversichtliche Gespräche. Kein Jammern. Wie so oft sind es die Menschen denen weniger zur Verfügung steht, die uns als Vorbild dienen. Staatshilfe Fehlanzeige. Kopf in den Sand stecken ebenfalls Fehlanzeige. Wir alle werden lernen müssen, mit der veränderten Situation umzugehen.
Uns hat diese Reise bekräftigt, auch zu Hause anders mit dem Thema Covid-19 umzugehen. Es soll nicht unser Denken und Handeln bestimmen. Nachrichten und Gespräche, die sich nur noch um die Epidemie drehen, sind psychologisch nicht wertvoll. Während zwei Wochen haben wir die Kommunikation darüber auf ein Minimum beschränkt. Und das hat gutgetan.
Schreiben Sie einen Kommentar